: Gen-Schlupflöcher für zwei Monate
Union bremst rot-grünes Gentech-Gesetz im Bundesrat. Daher ab April keine Kontrollen der Gen-Kennzeichnung
BERLIN taz ■ Ab 18. April werden deutsche Supermärkte und Bauernhöfe zu rechtsfreien Räumen. Dann nämlich müssen in der EU alle Lebensmittel und alle Futtermittel gekennzeichnet werden, die Gentechnik enthalten. Doch einheitliche Kontrollen oder gar Sanktionen bei Verstößen gegen diese Kennzeichnungspflicht wird es in Deutschland erst einmal nicht geben.
Der Grund: Gestern verwiesen die CDU-geführten Länder im Bundesrat das „Gentechnik-Durchführungs-Gesetz“ in den Vermittlungsausschuss von Bund und Ländern. Bis das Gesetz nun das parlamentarische Verfahren zwischen Bundestag und Bundesrat passiert hat, vergehen einige Wochen. Frühestens Mitte Juni, so das Bundesverbraucherministerium, könne die Regelung nun in Kraft treten. Zwei Monate lang bleiben somit mögliche Verstöße gegen die Kennzeichnung ohne Folgen.
Eine „unverantwortliche Blockade der Länder zu Lasten des Verbraucherschutzes“ nannte gestern Verbraucherschutzministerin Renate Künast das Vorgehen der Länder. Neben dem Gentechnikgesetz, das Fragen des Anbaus und der Haftung für Schäden durch Gentech auf dem Acker behandelt, wurde damit das gesamte Paket „Grüne Gentechnik“ der Regierung in die parlamentarische Warteschleife geschickt (siehe Kasten).
Das Gesetz aus dem Hause Künast sieht vor, dass bei Verstößen gegen die Pflicht zur Kennzeichung von Lebens- und Futtermitteln Bußgelder bis zu 50.000 Euro verhängt werden können. Schwere Verletzungen der Vorschriften sollen sogar mit Haftstrafen zwischen drei und fünf Jahren belegt werden.
Die Länder hatten bereits in der Vergangenheit moniert, diese Strafen seien zu hoch, weil sie deutlich schärfer als im bisherigen Lebensmittelrecht sind. Grund für die aktuelle Ablehnung sei aber auch ein Streit über den Zugang der Länder zu Informationen im Verfahren, erklärte ein Sprecher des bayerischen Verbraucherministeriums gegenüber der taz. „Der Bund will uns Informationen aus dem Zulassungsverfahren nicht geben, die wir für den Vollzug brauchen.“ Außerdem bräuchten die Länder eine rechtliche Grundlage zur Überwachung der Futtermittel, die das Gesetz nicht enthalten habe.
Jutta Jaksche vom Bundesverband der Verbraucherzentralen bedauert, dass es jetzt ab April keine einheitlichen Sanktionen bei möglichen Verstößen gibt. Überhaupt würden immer mehr Aufgaben an die Behörden für Lebensmittelüberwachung abgegeben, ohne dass deren Personal aufgestockt werde. „Die Anforderungen wachsen, das Personal bleibt, das mündet in Überforderung“, so Jaksche. Die Kontrolleure könnten nur noch Stichproben machen, darunter leide der Vollzug.
Um diese Lücke zu schließen, hat Greenpeace gestern Interessierte dazu aufgerufen, ab dem 18. April als „Gen-Detektive“ die Supermärkte zu durchstreifen. Sie sollen die Inhaltslisten der Produkte auf genmanipulierte Stoffe untersuchen und die Produkte anschließend an Greenpeace melden. Die Umweltorganisation will die Namen der fraglichen Produkte dann im Internet veröffentlichen.
BERNHARD PÖTTER