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Archiv-Artikel

Kongo-Milizen erwarten UN-Truppe

Die herrschende Hema-Miliz im kongolesischen Bunia dürfte eine französisch geführte Eingreiftruppe als Gegner ansehen. Denn Frankreich ist mit Kongos Präsident Kabila verbündet, und der bereitet schon die nächste Kriegsrunde vor

von DOMINIC JOHNSON

Während die UNO ihre Planungen zur Militärintervention im nordostkongolesischen Bunia abschließt, droht der Krieg in der Region erneut zu eskalieren. Nach Augenzeugenberichten aus dem Gebiet, die der taz vorliegen, schickt die Regierungsarmee von Kongos Präsident Joseph Kabila Truppen in die Region, um Bunia von der derzeit herrschenden Hema-Bewegung UPC (Union kongolesischer Patrioten) zu erobern.

Die schwer bewaffneten Regierungssoldaten landen demnach per Flugzeug 300 Kilometer südwestlich von Bunia in der Stadt Beni, Sitz der RCD-ML (Kongolesische Sammlung für Demokratie/Befreiungsbewegung), die mit Kabila verbündet ist. In Beni sollen sich außerdem mehrere Milizenführer des Lendu-Volkes aufhalten, das gegen die Hema kämpft.

Unter diesen Umständen könnten die Menschen in Bunia eine von Frankreich geführte Militärintervention als Parteinahme werten. Denn Frankreich ist mit Kongos Präsident Kabila verbündet, und dieser gilt als Alliierter der Lendu. So ist zu erwarten, dass die Hema-Kämpfer der UPC in Bunia und die französischen Soldaten einander als Gegner ansehen, während die Lendu-Gruppen außerhalb der Stadt die Ankunft der Eingreiftruppe als Signal zum Angriff werten.

Die UPC hatte Bunia am 12. Mai erobert, nachdem es zuvor tagelange Pogrome von Lendu-Milizen gegen Hema gegeben hatte. Die UPC ist mit Ruanda und Kongos größter Rebellengruppe RCD (Kongolesische Sammlung für Demokratie) verbündet. Nach der Einnahme Bunias durch die UPC kam es zu blutigen Racheakten an Lendu. Insgesamt wurden nach UN-Schätzungen etwa 400 Menschen getötet. Zehntausende flohen aus der Stadt, etwa 17.000 Menschen suchten auf dem Gelände der UN-Blauhelme in Bunia Schutz.

Die UNO und Kongos Regierung riefen daraufhin zu einer internationalen Militärintervention in Bunia auf. Zugleich gruppierten sich die Lendu-Milizen in den Hügeln außerhalb der Stadt neu. Gestern bestätigten sie zunächst den seit 17. Mai geltenden Waffenstillstand mit der UPC. Die UPC sowie Ruanda lehnten bis vor kurzem ein Eingreifen Frankreichs in Bunia ab. Inzwischen hat Ruanda seine Bedenken zurückgezogen, um nicht als Blockierer dazustehen.

Das Risiko eines neuen Krieges im Nordosten Kongos unter Beteiligung von Kongos Regierung ist umso größer, als der Friedensprozess zwischen Regierung und Rebellen im Kongo auf Eis liegt. Eigentlich hätte gestern in der Hauptstadt Kinshasa feierlich eine Allparteienregierung eingeschworen werden sollen, um gemäß der Friedensverträge von 2002 den Kongokrieg offiziell zu beenden. Doch wegen eines Postenstreits zogen sich die RCD-Rebellen am vergangenen Freitag aus dem Komitee zur Umsetzung der Friedensverträge zurück. Die Regierungsbildung ist nun auf unbestimmte Zeit vertagt. Vermittlungsversuche Südafrikas haben bisher nichts gebracht; stattdessen werfen sich RCD und Kabila gegenseitig neue Kriegsvorbereitungen vor.

Die stellvertretende UN-Koordinatorin für humanitäre Angelegenheiten, Carolyn McAskie, wies Anfang dieser Woche darauf hin, dass die Bevölkerung sowohl im gesamten Distrikt Ituri um Bunia wie auch in der ostkongolesischen Provinz Südkivu Schutz vor Kämpfen zwischen Milizen brauche.

In Bunia selbst bahnt sich bereits eine Konfrontation zwischen der UPC und der UNO an. Am Dienstag rief die UPC über Radio die Flüchtlinge im UN-Gelände zum Verlassen des Lagers auf; sonst würde man sie als Feinde behandeln. Die UN-Mission verglich den Aufruf mit den Radioaufhetzungen zum Völkermord in Ruanda 1994.