: Bitte keine Schwarzweiß-Urteile
Ist Schwarzarbeit Abzocke, Notwehr oder gar überlebensnotwendig? Die Motive der Kneipenchefs sind höchst unterschiedlich – ebenso wie die ihrer Angestellten
In kaum einer Branche wird, vielleicht abgesehen von der Bauwirtschaft, so viel schwarzgearbeitet wie in der Gastronomie. Dabei sind sowohl die Formen als auch die Motive der Beteiligten, der Chefs und der Angestellten, vielfältig. Sie lassen sich nicht einfach über einen – moralischen – Kamm scheren.
Schwarzarbeit ist nämlich nicht gleich Schwarzarbeit – die Formen sind fließend. So kann es sein, dass Beschäftigte angemeldet sind, aber nur ein Teil ihrer Bezüge abgerechnet wird. Der Rest wird schwarzverdient.
Bei den Kneipiers, die schwarzarbeiten lassen, liegen die Motive auf der Hand: Sie wollen Kosten sparen. Das kann – bei sinkenden Umsätzen – für viele überlebensnotwendig sein; es kann aber auch, vor allem in gut gehenden Kneipen, reine Abzocke sein. Zudem kann ein Stamm von Schwarzarbeitenden die Flexibilität erhöhen: Ist der Laden voll, kommt schnell noch eine Aushilfe. Wer als Aushilfe keine arbeitsrechtliche Absicherung hat, lässt sich schneller auf solch eine Rund-um-die-Uhr-Flexibilität ein. Er oder sie ist leicht austauschbar.
Bei den schwarzarbeitenden Beschäftigten ist die Motivlage uneinheitlich: Manche tun es sicherlich, weil sie dazu gezwungen werden oder keine andere Chance für Jobs sehen. Andere können damit auch ganz gut leben: etwa Studenten, die BaföG beziehen und unter der Hand etwas dazuverdienen. Das Gleiche gilt für Beschäftigte anderer Branchen, die in der Kneipe um die Ecke dazuverdienen. Oder auch für Selbstständige, zum Beispiel Ich-AGler, die nebenbei am Tresen stehen, weil ihre eigentliche Hauptbeschäftigung nicht genügend abwirft. In der Regel gilt: Den Beschäftigten, die noch andere Einkommensquellen haben, macht Schwarzarbeit in der Kneipe weniger aus, sie kann sogar erwünscht sein. Dies trifft vor allem für Menschen zu, die nur vorübergehend in der Branche sind, um zeitweise ihr Einkommen aufzubessern. Menschen, die ihre berufliche Perspektive eigentlich woanders sehen.
Schwierig wird es für Beschäftigte, die ihren gesamten Lebensunterhalt mit dem Kneipenjob bestreiten müssen. Denen machen Schwarzjobs und andere prekäre Beschäftigungsformen zu schaffen. Zum Beispiel wenn es keine Absicherung für Krankheit oder Urlaub gibt, von der Arbeitslosenversicherung ganz zu schweigen. Zumal in der Branche wenig verdient wird – wenn nicht gerade permanent der Laden brummt und das Trinkgeld im Portemonnaie klingelt. RICHARD ROTHER