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Archiv-Artikel

Rent a Rürup!

Ein Jahr nach der legendären Super-Mega-Kult-Kommission ein Blick nach vorn

Eierschaukeln auf der Hollywoodschaukel mit Mitte sechzig? No way no more!

Vor genau einem Jahr, im Scherzmonat April 2003, war es dann so weit, dass eine der 74 koboldkecken, seit Anno Pfifferling herumlavierenden Kommissionen, die die Bundesregierung unterhält, um sich unterhalten zu lassen, ganz ernsthaft sogar mal etwas traf, nämlich: eine „Entscheidung“. Exakt gesagt war es die so genannte Rürup-Kommission unter der Leitung des ehemaligen Beraters von CDU-Arbeitsminister Nobby Blüm, die aus heiterem Himmel ins Rot-Grüne traf und verkündete, im Namen des Herrn, des Weltgeistes und des Kanzlers müsse ab 2011 das „gesetzliche Rentenalter“ sukzessive von 65 auf 67 Jahre heraufgesetzt werden.

Bum. Zack. Paff. Das saß. Berlin baff. Wow! Das hört sich gut an! Sagenhaft! Puh, klasse! So begrüßte die politische Klasse einhellig eine Entscheidung des Bundesbertis für die lustigen Sozialangelegenheiten, dieses so called Kommissionschefs Bert Rürup, die ja zwar, genau besehen, erst mal nur ein „Vorschlag“ gewesen war, aber als Vorschlag war sie ja auch ein ziemlicher Vorstoß und somit eine einwandfreie Fastentscheidung. Die aber ganz Entscheidendes nach sich ziehen wird, aber hallo und hurra.

Denn wenn wir jetzt mal unsere messerscharfe Fantasie ans Steuer dieses Textes setzen, dann wird sich unser aller Zukunft aufgrund der rot-grünen Trumpfrentenkarte des Titanen-Tandems Schröder-Rürup doch recht entscheidend von der Gegenwart unterscheiden. Eierschaukeln auf der Hollywoodschaukel mit Mitte sechzig? No way no more! Nie versiegende Rentensalärs sinnlos unter die Vorhaut jubeln und die „Jungen“ buckeln lassen? Hat sich was! Ein, so viel steht fest, mutiger Mann, dieser Bert R., fürwahr. In Koalition mit seinem Kasperlekumpel Ernie Schröder.

Also: Derjenige, der ab 2011 als dusseliger Achtundsechziger beziehungsweise Fünfundsechzigjähriger meint, in Rente gehen zu können, geht dann Rürup zufolge erst mal weiterarbeiten. Und?, sagen Sie heute, was macht das schon? Wenn ich jetzt „nichts“ sage, ist der Text hier zu Ende. Kurz und knapp. Aber zu kurz, sage ich. Ohne Honorare von Normalformat gibt’s für mich später: keine Rente. Ab 92.

Das freilich heißt, dass ich wegen Rürup noch zwei Jahre länger, also bis 94 (also bis zum Jahr 2062) arbeiten und schreiben darf. Nicht weniger erfreulich ist die Aussicht, dass in knapp zehn Jahren flotte Siebenundsechziger an den Fließbändern Wolfsburgs, Sindelfingens und Ingolstadts stehen und selbst donnerstags Montagswagen (gleich: vermurkste Karren) in Serie herstellen.

Wie das Rentenalter steigt, so werden die Pannenstatistikwerte nach oben schnellen (wg. Montagsautos). Die Zahl der ADAC-Mitglieder wird von 65 auf 67 Millionen anwachsen, und die Zahl der jährlich benötigten Autoersatzteile wird sich von 65 Billionen auf 67,4 Billionen Einheiten hochschrauben. Das erzeugt Wirtschaftswachstum, das dringend benötigte. Wunder Rürup-Kommission!

Gleichzeitig sinkt nach dieser Rechnung direkt proportional die Zahl der Nichtarbeitenden, meint: Die Zahl der arbeitenden Geldausgeber wächst gewaltig. Das bedeutet mehr Arbeit für die Angestellten des Konsumbereichs. Deren Wochenarbeitszeit erhöht sich auf approximative 63,5 Stunden. Parallel werden Kaufhäuser ihre Gesamtverkaufsfläche von derzeit 64,9 Trillionen Quadratkilometern auf 69 Trillionen ausdehnen!

Die dafür notwendigen Baumaßnahmen verrichten 67 Jahre alte Kaufhausbauarbeiter, die im Schnitt zwei Jahre länger als früher benötigen, um so viel Fläche auszubauen, wie heute 65 Jahre alte Kaufhausausbauarbeiter in einem Jahr ausbauen. Sodass der auf zwei Jahre terminierte Ausbau vier Jahre dauert (Rürup’sche Relativitätsrelation).

In dieser Zeit werden statt 800.365 Billiarden Kaufhausausbauarbeiterbierflaschen 801.657 Billiarden Bauhauskaufarbeiterbierflaschen getrunken werden. Was das heißt, liegt auf der Hand: Der Bedarf an Ersatzorganen wie frischen Lebern steigt rapide an, die internationale Kriminalität, insbesondere der Organhandel, blüht auf, Luft-, See- und Polizeikräfte zur Eindämmung der Leberrattenlinien expandieren und stellen die letzten verbliebenen Arbeitslosen ein, und der Deutsche Brauer-Bund macht ein Fass auf. Aber nur eins!

Jeder Volkswirtschaft dieser Erde, die es sich jetzt noch leisten kann, sei dringend geraten: Rent a Rürup! Und alles wird golden-age-gaga gut. JÜRGEN ROTH