daumenkino
: „Hidalgo“

Man traut seinen Augen nicht. Eben noch ritt man mit Frank T. Hopkins auf dem Rücken seines Bilderbuchpferdes Hidalgo im ausgelassenen Galopp durch die Weite der Prärie. Jetzt wohnt man einem in Zeitlupe gedehnten Massaker an Indianern bei. Fast schwelgerisch fährt die Kamera über einen nicht enden wollenden Leichenberg. Anders als seine beiden Helden hat dieser Film ein arges Rhythmusproblem. Regisseur Joe Johnston („Jurassic Park 3“) wirft es immer wieder aus dem Sattel. Auf das schreckliche Gemetzel lässt er niedliche Einlagen folgen, die uns das innige Verhältnis von Gaul und Halter nahe bringen.

Der etwas zu klein geratene Hidalgo erinnert an Lucky Lukes treuen Begleiter Jolly Jumper. Hat Hopkins (Viggo Mortensen) mal wieder einen über den Durst getrunken, packt ihn das Tier am Kragen und schleift ihn fort. Gerne trägt es ihm den Hut hinterher, den er bei Schlägereien zu verlieren pflegt. Ohnehin scheint das Duo durch eine Art Seelenverwandtschaft miteinander verbunden. Beide sind indianischer Abstammung. Das Mestizentum wird in Johnstons Spätepos allerdings aufdringlich zur Blutsverwandtschaft verklärt.

Von den Verbrechen an ihrem Volk arg derangiert, versuchen Hopkins und Hidalgo nun im fernen Orient ihr Glück. Sozusagen zu Therapiezwecken wollen die beiden am sagenumwobenen Ocean-of-Fire-Rennen durch die arabische Wüste teilnehmen. Das Abenteuer als Traumabekämpfung? Joe Johnstons Versuch, das klassische Erzählkino als transkontinentales Selbstfindungsprozess wieder zu beleben, gerät jedenfalls zu einer unfreiwilligen Aneinanderreihung dümmlichster Klischees und wandelnder Vorurteile. Da wäre die exzentrische Britin, die mitten in der Wüste, mit gespreiztem Finger ihren Tee aus feinsten Porzellantassen zu sich nimmt.

Während beim Araber Heimtücke die stärkste Waffe ist, besinnt sich der wackere Hopkins des amerikanischen Pragmatismus. Lasso schwingend reitet er durch die Weite der Wüste. Und doch gibt es in diesem Sandschlamassel einen, der dem Klischee trotz allem die ganz eigene Substanz abringt. Wenn Omar Sharif als Scheich Riyadh die Hand an den Krummsäbel legt, glaubt man sich dem Glamour der großen Kinolegenden plötzlich ganz nahe. ANKE LEWEKE

Hidalgo“. Regie: Joe Johnston. Mit: Viggo Mortensen, Omar Sharif u. a. USA 2003. 136 Min.