: Reiner Metzger spricht mit Hans Harfensteiner
„Bei Jucken sofort zum Arzt“
TAZ: Herr Harfensteiner, warum lassen Sie ihre Kinder nicht mehr an den schönen Sandstrandseen rund um Berlin spielen?
HANS A. HARFENSTEINER: Weil in den sandigen Gegenden Brandenburgs und der umliegenden Bundesländer gehäuft die an Mitteleuropa angepassten Sandflöhe auftreten. Und deren Larven verursachen diese hässlichen Narben am Bauchnabel, die sich kaum noch entfernen lassen.
Also machen selbst Fachleute die Panikmoden mit: Die schillernden, hautengen Anti-Sandfloh-Overalls der letzten Badesaison sind uns ja noch in guter Erinnerung …
Die waren völliger Quatsch. Unter diesen Anzügen schwitzt man und brütet die winzigen Eier so quasi aus. Besser ist lockere Kleidung oder – wo möglich – nackte Haut. Und beim geringsten Jucken nach dem Baden sofort zum Arzt. Dann dürften keine Folgeschäden auftreten. Nur leider sagen Kleinkinder meist viel zu spät Bescheid. Deshalb gehen meine nur noch in die gechlorten Bäder.
Und was raten Sie gegen die Tropenkrankheiten?
In weiten Teilen Mitteleuropas sind sie ja kein größeres Problem, eingeschleppte Einzelfälle, wie sie seit Hunderten von Jahren vorkommen. Anders sieht es jedoch im Rheintal und den Flüssen Südfrankreichs aus. Die dortigen Temperaturen und das Fehlen der Winterkälte ergeben natürlich ein gewisses Malaria- und Bilharzioserisiko – speziell seit dem entsprechenden Bioanschlag auf Marseille von 2020. Aber das Risiko nimmt Jahr für Jahr ab, seit die genmanipulierten Zwischenwirte dieser Krankheiten massenhaft zur Verfügung stehen. Sowohl bei den Stechmücken als auch bei den Bilharziose-Schnecken stoßen inzwischen drei Viertel der bekannten Populationen die Zwischenstufen der Erreger ab.
Also gibt es Entwarnung aus den Medizinlabors?
Was die „unsichtbaren“ Erreger angeht, weitgehend ja. Hier herrscht traditionell eine Überschätzung der Gefahren vor. In einem anderen Bereich aber nicht, und der ist mengenmäßig viel gravierender: Die dramatisch ansteigende Zahl von Herz-Kreislauf-Krankheiten aufgrund der ständig wechselnden heißen und windigen Wetterlage ist praktisch nicht zu bekämpfen.
Wird denn dann überhaupt auf den richtigen Gebieten geforscht? Man müsste sich ja folgerichtig weniger mit Tropen- und mehr mit Gefäßkrankheiten befassen …
Nein. Diese heimtückischen Krankheiten machen uns deshalb keine Sorgen, weil wir so gut auf sie vorbereitet sind. Schließlich waren die traditionellen Industriestaaten von den meisten gefährlichen Infektionskrankheiten früher nicht betroffen oder hatten sie ausgerottet. Ganz anders die armen Staaten der Tropen und Subtropen. Dort gab es schon immer entsprechende Epidemien. Denken Sie nur an die Millionen toter Kinder wegen des Denguefiebers oder schlichter Durchfallerreger. Diese Länder hatten entweder nicht die Mittel für die Erforschung und Durchsetzung von Prophylaxe und Heilmethoden, oder sie nutzen ihr Geld für andere Zwecke.
Die südlichen Regionen sind also wie ein Großlabor?
So ungefähr. Darum rennen ihnen die Pharmaunternehmen die Türen ein, weil ihre Kunden aus den reicheren Ländern die Behandlungen nachfragen. Und die Regierungen aus den nördlichen Ländern geben reichlich Mittel frei, weil sie für die nächsten Wahlen Taten an der Prophylaxefront vorweisen wollen.
Es gibt also Klimagewinnler?
Ich würde es eher so nennen: Endlich sitzen Teile der Kranken aus den armen und den reichen Ländern im selben Wartezimmer. Da sollte es doch schwer zu vermitteln sein, wenn die einen behandelt werden und die anderen nicht.