nebensachen aus jerusalem : Die guten Seiten einer winterlichen Schlammschlacht am See Genezareth
In den Winterwochen gehört er so untrennbar zu den Nachrichten wie die Wettermeldung: der Wasserstand des See Genezareths, des größten Trinkwasserreservoirs Israels. Nur noch 11 Zentimeter bis zur unteren roten Linie, hieß es noch vor drei Wochen, und unlängst kam endlich die Meldung, auf die wir seit Jahren warten: Der See Genezareth ist voll. Wäre doch gelacht, nach den Wassermassen, die der Himmel zuletzt vergoss.
Ausgerechnet am Tag, als sich der Presseattaché der Botschaft bei mir im Kibbuz anmeldet, regnet es unaufhörlich. Ich hole ihn vom Parkplatz ab, überlege, welcher Weg seinen makellos sauberen Schuhen am wenigsten Dreck zufügt. Es ist hoffnungslos. Auf den Wiesen steht das Wasser. Als wir meine Wohnung erreichen, versucht er mit entschuldigendem Blick verzweifelt die Schlammränder zu entfernen, was überflüssig ist, denn meine Katze hatte längst auf dem frisch gewischten Fußboden, dem Sofa und meinem Kopfkissen ihre Spuren hinterlassen.
Die winterliche Schlammschlacht hat dennoch ihr Gutes. So ist die Bedrohung einer kriegerischen Auseinandersetzung aus Wassermangel, wie sie Nahost-Experten regelmäßig prophezeien, zumindest für kurze Zeit beigelegt. In den kommenden Wochen werden wir uns überdies nicht den Kopf darüber zerbrechen müssen, wo am teuren Nass gespart werden könnte, wie in den regenärmeren Jahren. So stieg zu Beginn der 90er-Jahre der Wasserverbrauch mit der Million neuer Immigranten dramatisch an, gleichzeitig blieb es zwei Winter in Folge relativ trocken. Paarweise duschen, so lautete ein Vorschlag, sehr zum Unwillen der Orthodoxen, die stattdessen zum Massengebet für Regen vor der Klagemauer aufriefen. Die Idee, die Verdunstung durch die Verteilung von Ping-Pong-Bällen auf dem See zu mindern, scheiterte nicht an den Ökologen, die um das Wohl der Seebewohner bangten, sondern sie erwies sich schlicht als nicht praktikabel. Doch dank der aktuellen Wasserverhältnisse können wir dem nassen Vergnügen wieder guten Gewissens frönen. Jeden Abend ein Vollbad ist das mindeste für die meisten in Israel. Auch Kinder werden täglich abgeseift. Dass meinem Sohn dies nur zweimal wöchentlich widerfährt, wird mit angewiderten Kommentaren bedacht.
Kaum hat es eine Woche lang nicht geregnet, werden landesweit die Sprenkleranlagen angestellt. 600 Schekel, also rund 110 Euro, las ein im Land lebender Freund mit Schrecken auf seiner Wasserrechnung. Er bemerkte zu spät, dass sein Hund den Gartenschlauch durchgebissen hatte.
Wie gut geht es uns dagegen im Kibbuz, wo das Kollektiv die ohnehin staatlich extrem subventionierten Bewässerungskosten trägt. Da kann meine Nachbarin Irena, die sich aus der Ukraine eine sehr durstige Gattung Rasensamen hat schicken lassen, weil sie das Grün ihrer Heimat so vermisst, dreimal täglich zwei Stunden gießen. Mein Vorgarten wird dabei ebenfalls überschwemmt, was für mich heißt, das Grün hüpfend überqueren zu müssen, will ich meine Schuhe vor dem Schlamm schützen. Der See Genezareth ist voll? Nicht mehr lange. SUSANNE KNAUL