: Eher wie die Männer
US-Forscher widerlegen die These, dass bei weiblichen Säugetieren keine neuen Eizellen gebildet werden
Seit 1921 ist es ein biologisches Dogma: Im Gegensatz zu männlichen Säugetieren, bei denen die Spermien fast ein Leben lang neu gebildet werden, galt für die weiblichen, dass die Anzahl der unreifen Eizellen, der Follikel, bei der Geburt festgelegt ist. Alles nur ein Vorurteil, sagt jetzt eine Studie des Massachusetts General Hospital.
Die Ergebnisse der Forschungsgruppe von Joshua Johnson lassen den Schluss zu, dass sich bei Frauen noch bis Mitte dreißig ständig neue Follikel bilden. Die darauf spezialisierten somatischen Stammzellen in den Eierstöcken (Ovarien) sind also noch Jahrzehnte länger aktiv als bisher angenommen.
Bei neu geborenen Mädchen sind etwa eine Million Follikel in den beiden Eierstöcken vorhanden, von denen in den nächsten Jahrzehnten bis zur Menopause nicht einmal 500 ausreifen. Danach bleiben nur noch wenige tausend Follikel übrig. Der Rest von gut 9,9 Millionen hat sich bereits vorher selbst entsorgt.
Diesen Vorgang des Eizellen-Selbstmords, die so genannte Atresie, hat die Johnson-Gruppe an Mäusen untersucht. Mäusebabys haben zwischen 2.500 und 3.000 gesunde Follikel, von denen in den ersten 20 Lebenstagen einige wenige absterben. Nach einem Monat steigt diese Rate deutlich an, erreicht am 42. Tag den Höchststand und bleibt dann fast unverändert, bis die Mäusinnen etwa vier Monate alt waren. So konnten die Forscher ausrechnen, wann der Follikelvorrat erschöpft sein würde und die Mäusemenopause beginnt.
Doch die Tiere ignorierten den errechneten Zeitpunkt und waren zur großen Überraschung der Wissenschaftler auch weiterhin fruchtbar. Die einzige Erklärung, die es dafür geben konnte, war, dass die somatischen Stammzellen in den Ovarien auch bei erwachsenen Mäusen noch neue Follikel produzieren.
Um nicht vorschnell an einem alten Dogma zu rütteln, hat das Johnson-Team seine neue These sehr sorgfältig untersucht: Sie konnten bei Mäuseteenagern Stammzellen nachweisen, die noch keine neuen Follikel gebildet hatten. Und sie dokumentierten durchschnittlich 77 neue Follikel pro Tag in den Ovarien heranwachsender Mäuse.
Angenommen, die Ergebnisse des Johnson-Teams werden durch weitere Forschungen belegt, dann stellt sich die Frage, wem nützt es und wen freut es? Der Grundsatzflügel der Frauen könnte sich vielleicht aus Prinzip freuen. Ein Unterschied weniger im Vergleich zu den Männern. „More like a man“ – so lautet denn auch der Titel des Berichts in der Fachzeitschrift Nature. Dessen Autor ist sich, was die Interpretation der Ergebnisse angeht, mit dem Johnson-Team weitgehend einig. Die Studie beschreibe einen grundsätzlichen biologischen Vorgang, der wohl durchaus auch auf Menschen zu übertragen ist.
Einen therapeutischen Nutzen gibt es dagegen nicht. Die von den Forschern selbst nur vage angedeuteten Möglichkeiten, unfruchtbaren Frauen vielleicht einmal helfen zu können, sind zur Zeit noch Vision. Aber wenn ein altes Dogma fällt, dann ist das für Forscher immer eine kleine Sensation – und für die jüngeren Forscher ein heimlicher Quell triumphierender Freude. PETRA SONNENSTUHL