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Archiv-Artikel

Kampf um den NAI

Über die Zusammensetzung des Natur-Aktien-Index ist Streit entbrannt. Sowohl der Wiener Börsendienst Öko-Invest als auch die Hamburger Securvita beanspruchen für sich die Rechte

Es gibt ihn seit nunmehr sechs Jahren: den Natur-Aktien-Index NAI. 1997 haben ihn der Herausgeber des Wiener Branchendienstes Öko-Invest und die Zeitschrift Natur (heute: Natur & Kosmos) ins Leben gerufen. Darin enthalten sind heute 25 börsennotierte Unternehmen (bis Ende 2002 waren es 20) aus verschiedenen Branchen, die den strengen ethisch-ökologischen Kriterien standhalten müssen, um aufgenommen zu werden. Die Auswahl trifft ein aus sechs Personen bestehender unabhängiger Anlageausschuss. Der gemeine Anleger konnte den steigenden Kursverläufen des Index lange Zeit nur zuschauen, bis die Hamburger Securvita GmbH mit der realen Nachbildung des NAI im Fonds Greeneffects auch dem Kleininvestor die Chance zur Partizipation am bis dahin virtuellen NAI-Gewinn gab.

Trotz der Börsenkrisen der letzten Jahre liegt der NAI zurzeit rund 50 bis 60 Prozent über seinem 1997er Anfangswert von 1.000 Punkten. „Zurzeit“ – das meint die letzten offiziell verfügbaren Berechnungen von Mitte Mai. Denn hinter den Kulissen brodelt es gewaltig um Marken- und Verwertungsrechte.

Die österreichische Jenbacher AG ließ vor rund sechs Wochen ohne Absicht und Verschulden einen bis dahin offenbar unterschwelligen Konflikt auflodern: Die lange Zeit im NAI vertretene Aktiengesellschaft wurde von dem amerikanischen Konzern General Electric übernommen, ein Unternehmen, das wegen seiner Umweltpolitik und Produkte – unter anderem als Lieferant für das Pentagon – nicht in die engen Schubladen des NAI passt. Jenbacher wurde ausgelistet.

Am 13. Mai kam eine Mitteilung aus Wien: „Das Schweizer Sanitärtechnikunternehmen Geberit AG wurde heute neu in den Natur-Aktien-Index aufgenommen“, teilte der NAI-Konstrukteur und Öko-Invest-Herausgeber Max Deml mit. Bis dahin konnte man annehmen, dass Verlautbarungen zum NAI, egal ob sie aus Wien, München oder Hamburg kamen, gleichsam „mit einer Stimme“ im Sinne einer guten Sache herausgegeben wurden. Diese Annahme ist fürderhin falsch. Denn wenige Tage später meldete der Sprecher des NAI-Anlageausschusses aus München eine „Korrektur“ der „unzutreffenden Vorabmeldung“: Nicht Geberit, nein, der amerikanische Hersteller von Büromöbeln Steelcase Inc. sei der richtige Nachfolger für Jenbacher.

Die irritierte Nachfrage in München brachte Klarheit: Der Streit ist offen entbrannt. Nach Angaben des Ausschusssprechers Horst Hamm, Redakteur der Zeitschrift Natur & Kosmos, sei die Hamburger Securvita vertraglich Inhaberin der (eingetragenen) Markenrechte am NAI – was man dort unter Nennung von Urkundennummern untermauerte –, und damit sei allein der von ihr beauftragte, gleichwohl unabhängige Ausschuss befugt, über die Zusammensetzung zu befinden – und nicht Max Deml. Der nämlich gehöre schon seit November dem Ausschuss nicht mehr an, sagt Securvita-Sprecher Norbert Schnorbach, sei mithin nicht befugt, Entscheidungen dieser Art zu treffen. „Als Erfinder des NAI“, so Schnorbach, mache Deml „eine Art Urheberrechtsanspruch für sich geltend“. Securvita habe „umfassende Rechte am Namen“, sei Vermarkter und Nutzer. Max Deml habe lediglich gegen Honorar einst den Auftrag erhalten, den Natur-Aktien-Index zu entwickeln.

Max Deml bestreitet, dass dies schon alles sei: Das Honorar war nur zu einem geringen Teil in bar gezahlt worden – als weiteren Honoraranteil habe er, so Max Deml, auch „Verwertungsmöglichkeiten“ erhalten, worüber es einen Vertrag gebe. Die von Securvita für sich in Anspruch genommenen Nutzungsrechte hätten dem Unternehmen in dieser Form also gar nicht übertragen werden können.

Noch einen anderen Grund führt Max Deml für die Richtigkeit seiner Entscheidung an, Geberit aufzunehmen: Der Auswahl des NAI-Ausschusses, dem er seit November als Berater zur Seite gestanden habe, fehle schlechterdings die Basis, erklärte er. Steelcase komme nämlich deshalb nicht in Betracht, weil dies „zu einer Verletzung der technischen Indexkriterien“ führe. Solange sich mit der US-Aktie Herman Miller bereits ein Möbelunternehmen im Index befinde, sei „kein Platz für ein zweites Unternehmen aus derselben Branche“. Es sei „ein Strukturmerkmal“, dass die Firmen aus „verschiedenen Branchen“ kämen: „Das ist neben den inhaltlichen Kriterien das Konzept“ und wesentlicher Bestandteil. Securvita-Sprecher Norbert Schnorbach bleibt dabei: Diese Ansicht lasse „sich aus den Ausschusskriterien nicht ableiten“, worin lediglich stehe, dass die Unternehmen nach Ländern und Branchen gestreut sein müssten.

Der Wirtschaftsdienst Bloomberg hatte da schon reagiert: Er kalkulierte den Index – und setzte die Berechnungen vorläufig aus, nachdem der Konflikt um die Rechte offenbar wurde. Deml: „Die Rechtsabteilung von Bloomberg in New York hat bis zur eindeutigen rechtlichen Klärung des Sachverhalts vorübergehend die Indexseiten samt Vergleichs-Charts mit anderen Indizes auf weltweit über 200.000 Terminals gesperrt.“

Bis vor kurzem sah es noch so aus, als gebe es eine Chance zur gütlichen Einigung, um dem Produkt NAI nicht weiter zu schaden. Der Öko-Invest-Verlag und der Indexausschuss seien bestrebt, „kurzfristig eine gemeinsame Lösung zu finden, damit Bloomberg die Kalkulation wieder aufnehmen“ könne, sowie eine „dauerhafte rechtliche Basis zu formulieren, die auch die technischen Entscheidungskriterien im Auswahlprozess für die Indextitel“ verankere, hieß es am 26. Mai in Wien.

Ende letzter Woche allerdings zeichnete sich eine Einigung ganz und gar nicht ab. Öko-Invest hatte zuvor mitgeteilt, man habe die Indexberechnung wieder selbst übernommen. Zudem liege eine Unterlassungserklärung vor, worin Securvita fordere, Öko-Invest dürfe den NAI nicht mehr publizieren, was er aber, so Max Deml, bis zur gesetzten Frist „nicht unterschrieben“ habe.

Korrespondenzen zwischen den Kontrahenten zum Streit über den „wahren“ NAI laufen dem Vernehmen nach derzeit nur noch über Anwälte – und die Brücken dieser einst fruchtbaren Zusammenarbeit für eine gute Sache sind offenbar abgebrochen. Jedenfalls vorerst.

Streit um die Aufnahme eines zweiten neuen Wertes zeichnet sich demgegenüber wohl nicht ab. Astropower, der amerikanische Hersteller von Solarzellen, wurde aus dem NAI geworfen. Nachfolger ist die deutsche SolarWorld AG. ANDREAS LOHSE

Für seine heutige Ausgabe (16. Juni) kündigte Öko-Invest Hintergründe zum Konflikt an. www.oeko-invest.de,www.greeneffects.de