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Archiv-Artikel

Der große Gameboy-Schwindel

Wie Malcolm McLaren, einst Manager der Sex Pistols, am Samstagabend in den KunstWerken versuchte, eine neue musikalische Strömung namens Post-Karaoke auszurufen, und DJ Fetisch nicht anders konnte, als alte Punk-Platten aufzulegen

VON HARALD PETERS

Die Voraussetzungen waren wunderbar. Am vergangenen Sonnabend luden die KunstWerke in der Auguststraße zur Eröffnung der Ausstellung „Andy Warhol: Motion Pictures“, und natürlich waren alle gekommen: junge und moderne wie auch kunstsinnige und an Pop interessierte Menschen, die bei der anschließenden Party natürlich das ideale Publikum waren, um live dabei zu sein, wenn Malcolm McLaren ein weiteres Mal probiert, die Popmusik zu revolutionieren. Denn wie man sich erzählt, hat McLaren in seiner Funktion als Sex-Pistols-Manager nicht nur im Alleingang den Punkrock erfunden, sondern bereits 1983 mit seiner Single „Buffalo Gals“ auch den weltweiten Siegeszug von HipHop auf den Weg gebracht. Er hat mit „Madam Butterfly“ weitgehend unbemerkt von der Weltöffentlichkeit das vermeintlich folgenschwere Pop-Oper-Crossover eingeleitet und ebenfalls sein Bestes versucht, als es darum ging, den zart knospenden Karrieren von Bow Wow Wow und Adam Ant eine vergebliche Perspektive zu geben. In den KunstWerken wollte er nun mit zwei schwedischen Gameboy-Spielern eine musikalische Richtung ausrufen, die er Post-Karaoke nannte.

Man wartete gespannt. Doch bevor McLaren an der Reihe war, hatte zunächst der weltberühmte Berliner Jammermusikant Maximilian Hecker einen seiner gefürchteten Auftritte, von denen man weiß, dass sie eigentlich keinem gefallen außer dem Künstler selbst. Also standen die Anwesenden gleichmütig in Gespräche vertieft vor den riesigen Bildschirmen mit den sagenhaft ereignisfreien Warhol-Filmen, die den Ort mit einem Licht erfüllten, das an frisch Erbrochenes erinnerte. Hecker saß unterdessen einsam auf einem Podest in der Mitte des Raums, drückte die Tasten seines Synthesizer und sang tapfer in Tonlagen, von denen die Milch sauer wird.

Von so viel Warhol-Kunst umgeben, hielt er es offenbar für eine gute Idee, Suppendosen ins Publikum zu reichen, die statt von Campbell aus dem Hause Sonnen-Bassermann waren, was die Pointe aber nicht schärfte. Weil Hecker nicht nur dazu neigt, sehr lange Lieder zu spielen, sondern aufgrund sehr langer Lieder auch ganz besonders lange Konzerte gibt, wurde Malcolm McLaren, der bekanntlich darauf wartete, seinen brandneuen Trend zu präsentieren, nach gefühlten zwölf – tatsächlich waren es wohl anderthalb – Stunden unruhig und komplementierte den gefürchteten und mittlerweile auch sehr beleidigten Hecker von der Bühne.

Daraufhin baute sich der ebenfalls gefürchtete DJ Fetisch hinter seinen Plattenspielern auf und brachte alte Malcolm-McLaren-Produktionen zu Gehör. Nebenan nahm wiederum Malcolm McLaren Aufstellung und sah zu, wie Fetisch seine alten Produktionen zu Gehör brachte. Das Publikum, das nun hörte, wie Fetisch alte Malcolm-McLaren-Produktionen spielte, und sah, das Malcolm McLaren ihm dabei zusah, schloss messerscharf, dass das wohl nicht der angekündigte neue Trend sein könne, und reagierte unterkühlt. McLaren wiederum, der keine unterkühlten Reaktionen gewohnt ist, reagierte beleidigt und fühlte sich bemüßigt, nun voller Elan seinen versprochenen Trend zu präsentieren. Die zwei schwedischen Gameboy-Spieler schalteten daraufhin ihre zwei Gameboys an und drückte ein bisschen darauf herum, was eine Weile lang komische Geräusche produzierte, bis DJ Fetisch wieder unter der Aufsicht von McLaren eine weitere McLaren-Produktion aus seiner Plattentasche zauberte.

Zum Schluss brachte er eine chinesische Gameboy-Coverversion von Kraftwerks „Das Model“ zu Gehör, was den Abend irgendwie angemessen abrundete.