: „Das traute man bisher nur Herrn Ackermann zu“
Ohne den Abgeordneten Thomas Böwer wüsste man nicht, dass die Landesbank HSH Nordbank Steueroasen fördert. Nun zahlt sie auch noch Dividenden an unbekannte Teilhaber. Dabei steht sie unter dem staatlichen Bankenschirm
THOMAS BÖWER, 48, ist Diplompädagoge, sitzt seit 1997 für die SPD in der Hamburger Bürgerschaft und gilt als energischer Aufklärer.
taz: Herr Böwer, verhilft die HSH Nordbank zur Steuerflucht?
Thomas Böwer: Die Frage müssten Sie Landesbankchef Nonnenmacher stellen. Bis vor Kurzem wussten Parlament und Öffentlichkeit nicht einmal, dass die Regionalbank – und nichts anderes ist die HSH Nordbank – weltweit Auslandsniederlassungen in Steueroasen unterhielt und unterhält. Heute wissen wir schon, dass die Bank auf den karibischen Cayman Islands, den britischen Kanalinseln Guernsey und Jersey oder den Marshallinseln im Pazifik aktiv ist. Diese Finanzstandorte sind bekannt dafür, das man hingeht, wenn man Steuern sparen möchte.
Jetzt will die HSH 70 Millionen Euro an „stille“ institutionelle Aktionäre wie Banken und Fonds auszahlen. Dabei macht sie Milliardenverluste –und nimmt Staatshilfen in Anspruch!
Ich finde das sehr bemerkenswert. Ich kann die Argumentation des FDP-Abgeordneten Wolfgang Kubicki aus Kiel nachvollziehen, das Verhalten des Bankvorstands gehe in den Bereich der Untreue. Wenn man atypischer stiller Beteiligter ist und es gibt (Milliarden-)Verluste wie nun bei der HSH, bekommt man normalerweise Verluste zugeschrieben und keine Gewinne.
Und die Dividenden waren geradezu klammheimlich.
Wir sehen hier, wie intransparent das ganze Gebilde Nordbank gewesen ist. Bis vor 48 Stunden wussten wir gar nichts von atypischen stillen Teilhabern. Diese haben aber offensichtlich in einer Größenordnung von 860 Millionen Euro Geld in der Landesbank geparkt. So etwas traute man bislang höchstens Herr Ackermann von der Deutschen Bank zu.
Und nun dem hamburgischen Finanzsenator und CDU-Landeschef Michael Freytag?
Wenn die Eigentümer, das Land Schleswig-Holstein und das Land Hamburg, dazu sagen: „Dann müssen wir das eben zahlen“, finde ich das mehr als schwierig. Solche Dividenden verstoßen gegen Auflagen der EU-Kommission. Und es passt nicht in die Landschaft, wenn man sich gleichzeitig unter einen aus Steuergeldern finanzierten Schutzschirm von 30 Milliarden Euro vom staatlichen Bankenrettungsfonds stellt.
Was tun?
Wir haben eine Arbeitsgruppe „Operation Monopoly“ gegründet und werden sehr sorgfältig alle weiteren parlamentarischen Schritte unter der Leitung von unserem SPD-Fraktionsvorsitzendem Michael Neumann planen und voranbringen. Wir wollen Licht ins Dunkel der HSH Nordbank bringen, aber auch in das sonstige Finanzgebaren des schwarz-grünen Senats.
SPD-Bundestagsabgeordneter Kahrs fordert den Rücktritt von Freytag, der auch HSH-Aufsichtsrat ist.
Wir sind in der Fraktion dabei, alle Dinge grundlegend aufzuarbeiten. Die SPD fordert im ersten Schritt absolute Aufklärung vom Senat und von der Staatsbank. Bislang wissen wir noch nicht einmal genau, ob es sich bei den Tochterunternehmen um Briefkastenfirmen handelt. Darum fragen wir nach den Namen der Geschäftsführer dieser Firmen.
Die Steueroasen spielten eine wichtige Rolle bei der Entstehung der weltweiten Finanzkrise.
Einigen Global Playern ist es gelungen, die Weltwirtschaft gegen die Wand zu fahren. Mit dem Ergebnis, dass viele Menschen ihren Arbeitsplatz verlieren, die das vor Kurzem für unmöglich gehalten hätten. Jetzt müssen wir verstehen, wie dieses System genau funktioniert hat. Und da muss man als Hamburger zunächst die eigene Landesbank fragen.
Dazu gehört auch die Rolle von Senator Freytag und des politischen Verantwortlichen, Bürgermeister Ole von Beust.
Wir wollen wissen, ob es mittlerweile Usus ist, dass ein deutscher Finanzminister wie Freytag Steueroasen propagiert. Damit hat er sich ein Alleinstellungsmerkmal unter den Finanzministern erworben. Aber ich bin mit Forderungen nach einem Rücktritt immer sehr vorsichtig. Die Rolle der Opposition ist es, zunächst aufzuklären. Und dann erst werden wir Folgerungen ziehen. Letztlich geht es mir nicht darum, dass politisch Köpfe rollen, es geht um die zukünftige Rolle einer Landesbank. Gehört dazu, dass man auf den Cayman Islands oder Marshallinseln Steuern hinterzieht? Nein. Das wollen wir in Zukunft unterbinden.
INTERVIEW: HERMANNUS PFEIFFER