: „Ein Haifisch ist kein Haifisch“
Staatsanwaltschaft rechnet im Müllskandalprozess mit dem Kölner Klüngel ab. Sie wirft Angeklagten Geldgier und mangelnde Moral vor. Verteidiger plädieren für Milde und nehmen Zuflucht zu Brecht
Von Pascal Beucker und Frank Überall
Zum Schluss hatte die Staatsanwaltschaft im Kölner Müllskandalprozess dann doch noch ihren starken Auftritt. In einem rhetorisch geschliffenen Vortrag hielt Joachim Roth sein Plädoyer, das einer Generalabrechnung mit dem kölschen Klüngel gleichkam. „Wer darüber lacht, kennt ihn nicht“, zitierte er Trude Herr. Er zeichnete ein bedrückendes Bild der Kölner Politik, die durch das „Verschieben von Pöstchen an Politiker, die Entsorgung unliebsamer Gegner mit falschem Parteibuch und das Abservieren hoch dotierter Geschäftsführer aus politischen Gründen“ gekennzeichnet sei. Und fügte hinzu: „Aber in unserem Fall geht es nicht um Klüngel, sondern um strafbare Handlungen.“ Es habe es sich hier um „organisierte Kriminalität auf höchstem Niveau“ gehandelt.
Im Sinne der Abschreckung sei es notwendig, ein hartes Urteil zu sprechen, attestierte sein Kollege Robert Bungart: „Und das meine ich generalpräventiv.“ Immerhin sei durch die schmutzigen Geschäfte beim Bau der Kölner Müllverbrennungsanlage (MVA) für die Kölner Gebührenzahler ein Schaden von 25,86 Millionen Mark entstanden.
Bungart fiel dann die Rolle zu, die hohen Strafen zu verkünden, die sich die Ermittler für alle drei Angeklagten ausgedacht hatte. Demnach soll der frühere Chef des Müllofens, Ulrich Eisermann, für sechs Jahre hinter Gitter und der Ex-Manager der Anlagenbaufirma Steinmüller, Sigfrid Michelfelder, für viereinhalb Jahre. Mit zweieinhalb Jahren Freiheitsstrafe solle der frühere SPD-Politiker Norbert Rüther davonkommen. Alle drei Angeklagten hätten „ohne jegliche Moral ihre berufliche Stellung ausgenutzt“. Sie hätten sich von „erheblicher Geldgier leiten lassen“, was geeignet sei, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Verwaltung „fast zum Erliegen zu bringen“, so die Staatsanwälte.
Obwohl Staatsanwalt Roth einräumen musste, dass die Anklagebehörde „kaum andere Beweise als die Aussage des Angeklagten Eisermann“ gegen Rüther habe, kam der Ex-Genosse bei ihnen besonders schlecht weg. Er habe als einziger nicht einmal ein Teilgeständnis abgelegt und außerdem „seine Verantwortung als gewählter Politiker schändlich ausgenutzt und missbraucht“, meinte Bungart.
Während Eisermanns und Michelfelders Anwälte für milde Strafen für ihre Mandanten plädierten, konterte Rüthers Verteidiger Georg Leber die Ankläger mit einem Zitat aus Bertolt Brechts „Dreigroschenoper“: „Ein Haifisch ist kein Haifisch, wenn man's nicht beweisen kann.“ Er warf der Staatsanwaltschaft vor, „trotz ausreichender Ressourcen nicht immer professionell“ gearbeitet zu haben und forderte einen Freispruch. Rüther selbst betonte in seinem Schlusswort: „Ich habe von den Manipulationen und den Schmiergeldzahlungen nichts gewusst.“ Er bat um ein „gerechtes Urteil“. Das soll voraussichtlich morgen gefällt werden.