: Lektionen in Licht
Im Kino 46 findet ein Symposium zum Thema „Vom Kino lernen“ statt
Ins Kino geht man nicht, um zu lernen, sondern um etwas zu erleben. Für Lektionen in faktischem Wissen ist es denkbar ungeeignet: Abstrakte Informationen und lange Texte, egal ob gesprochen oder geschrieben, langweilen schnell und grundsätzlich spricht das bewegte Bild eher unsere Gefühle als unseren Intellekt an. Anderseits kann es uns wie kein anderes Medium an andere Orte, in andere Zeiten und Zustände versetzen. Und so ist es ideal dafür geeignet, etwas zu dokumentieren und die “Gestalt“ einer Situation zu vermitteln.
An diesem Widerspruch arbeiten sich Pädagogen, Medientheoretiker und Filmmacher ab, und die Inflation einer Worthülse wie „Medienkompetenz“ ist ein Beleg dafür, wie ratlos viele von ihnen dabei immer noch sind. Die Kinder und Jugendlichen, die einen Großteil ihrer Zeit vor audiovisuellen Medien verbringen, gehen dabei natürlich viel kompetenter mit diesen um als all die strengen Pädagogen, die dieses Wort so gerne benutzen und oft noch stolz darauf sind, zuhause keinen Fernseher und natürlich keinen Computer zu haben. “Kompetenz“ lässt sich da oft schlicht in „Mäßigung“ übersetzten: man solle doch „vernünftig“ mit den Medien umgehen, und dabei reizt an ihnen ja gerade das Irrationale, Spielerische, Unartige.
„Stop using Film“ hat die britische Filmwissenschaftlerin Cary Bazalgette ihr Grundthese benannt, die vielleicht am genausten den Kern des Themas dieses 14. Internationalen Bremer Symposiums zum Film trifft. Sie argumentiert dafür, eine neue Definition der Fähigkeit des Lesens zu entwickeln, in deren Mittelpunkt nicht mehr so ausschließlich das geschriebene und gedruckte Wort, sondern auch das von einer Kamera aufgezeichnete und durch die Medien vermittelte Bild steht. Sie wird ihr Konzept in einem von acht Vorträgen darstellen und verteidigen, die zwischen Freitag und Sonntag im Bremer Kino 46 stattfinden.
Diese als Kooperation zwischen dem Kommunalkino, der Universität Bremen und der Bundeszentrale für politische Bildung stattfindende Veranstaltung hat sich in den letzten Jahren vor allem dadurch einen guten Ruf unter Akademikern und Cineasten erworben, dass sie nicht, wie sonst üblich, in einem sterilen Vortragssaal, sondern in einem Kino stattfindet. Dadurch bekommt sie gleich eine ganz andere, nicht allzu akademische Atmosphäre, und zu den Vorträgen können auch gleich die passenden Filme gezeigt werden.
Der US-amerikanische Filmdozent Peter Decherney berichtet zum Beispiel von der Hassliebe zwischen Hollywood und den amerikanischen Universitäten. Dazu wird dann die Dokumentation „This Film is not yet rated“ von Kirby Dick gezeigt, in der das Bewertungssystem der amerikanischen Filmindustrie vorgestellt und kritisch untersucht wird, nach dem alle Filme in ähnliche Kategorien wie unsere „ab 6“ oder „ab 18“ eingeteilt werden.
Der französische Filmanalytiker Alain Bergala berichtet in seinem Vortrag darüber, wie die DVD neue Perspektiven der Filmpädagogik ermöglicht, weil durch sie der Zuschauer nicht mehr „zur Passivität eines linearen Wissensdiskurses verdammt“ ist, sondern sofort so etwas wie eine eigene Schnittfassung eines Films fertigen kann. Spannend dürften auch die Ideen des Medienwissenschaftlers Hermann Kapelhoff sein, der unter dem Titel „Bilder denken!“ ein kulturtheoretisches Konzept der Filmanalyse vorstellt und sich als Demonstrationsobjekt dafür den „Exorcist“ von William Friedkin ausgewählt hat. Nicht nur dazu: frohes Lernen!
WILFRIED HIPPEN