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Archiv-Artikel

UN-Bericht von USA manipuliert?

Heute will das UNO-Hochkommissariat für Menschenrechte einen Bericht über den Irak veröffentlichen. Vieles spricht dafür, dass der von den USA entschärft worden ist

Der Bericht enthalte „sehr starke antiamerikanische Begriffe“, beklagen die USA

GENF taz ■ Hat die Bush-Administration einen nach mehrfachen Verschiebungen für heute angekündigten UNO-Bericht über die Menschenrechtslage im Irak zensiert und US-kritische Passagen insbesonders über die Misshandlung und Folter von Gefangenen entschärft? Verhinderte Washington zudem, dass der Bericht noch vor Bildung der neuen Interimsregierung in Bagdad veröffentlicht wurde? Das UNO-Hochkommissariat für Menschenrechte (UNHCHR) in Genf war gestern bemüht, diesen Verdacht, der sich in den letzten Tagen verdichtet hatte, zu zerstreuen – und lieferte zugleich indirekt eine Bestätigung.

Der amtierende Hochkommissar Betrand Ramcharan hatte den Bericht im April – noch vor Bekanntwerden der Misshandlungen von Gefangenen durch US-Soldaten im Gefängnis Abu Ghraib – in Auftrag gegeben und unabhängige Experten der Genfer UNHCHR-Zentrale zu Recherchen in den Irak entsandt. Die Veröffentlichung des daraus entstandenen Berichts war vom UNHCHR ursprünglich bereits für letzte Woche angekündigt und dann ohne Angaben von Gründen auf Pfingstmontag verschoben worden.

Als der Bericht am Dienstag immer noch nicht vorlag, erklärte Ramcharans Sprecher José Díaz bei einer UN-Pressekonferenz auf Fragen der taz nach den Gründen für die Verzögerung: „Der Bericht ist noch nicht fertig gestellt, weil Informationen, die das UNHCHR vom Pentagon und der US-geführten Besatzungsverwaltung im Irak erbeten hatte, noch nicht eingetroffen sind.“ Zugleich kündigte Díaz die Veröffentlichung des Berichts für den heutigen Freitag an.

Doch am Mittwoch erklärte ein Mitglied der Bush-Administration bei einem Hintergrundgespräch für Journalisten, der UNO-Bericht liege der US-Regierung bereits vor. Er enthalte „sehr starke antiamerikanische Begriffe“. Unter anderem werfe der Bericht den Streitkräften der USA und ihrer Verbündeten im Irak die „systematische Verletzung der Menschenrechte“ vor, insbesonders in den Gefängnissen des Landes. Washington befürchte, dass der UN-Bericht im Falle seiner Veröffentlichung eine ähnliche Welle der Kritik auslösen könne wie im Mai die Medienberichte über die Misshandlungen und Folter im Gefängnis Abu Ghraib, erklärte der Vertreter der Bush-Administration. Dies wiederum könne die Verhandlungen im UN-Sicherheitsrat über den Entwurf der USA und Großbritanniens für eine neue Irakresolution „negativ beeinflussen“. Daher, so der Regierungsvertreter, bemühe sich die Administration um eine „Abmilderung“ der US-kritischen Passagen des Berichts.

Auf die Frage der taz, warum und seit wann der am Dienstag angeblich „noch nicht fertig gestellte Bericht“ der Bush-Administration bereits vorliegt, erklärte UNHCHR-Sprecher Díaz gestern, die Bemerkungen des US-Regierungsvertreters könnten sich „nur auf einen früheren Entwurf des Berichts beziehen“, der den USA unter Verstoß gegen das festgelegte Verfahren für die Erstellung von UNHCHR-Berichten „aus dem UNO-Hochkommissariat zugespielt wurde“.

Eine Veröffentlichung dieses früheren Entwurfs lehnte Díaz ab. Ob und welche Änderungen zwischen dem ursprünglichen Entwurf und der – nach seiner Auskunft seit gestern vorliegenden – endgültigen Fassung des Berichts vorgenommen wurden, wollte der UNHCHR-Sprecher nicht beantworten.

ANDREAS ZUMACH