Stoiber blamiert Union

Der CSU-Chef sorgte bei der Abstimmung zur Rentenbesteuerung für Verwirrung– aber warum? Nach Schuldigen wird noch heftig gesucht

AUS BERLIN ULRIKE HERRMANN

Bayerns CSU-Ministerpräsident Edmund Stoiber liebt Mikrofone. Aber gestern floh er vor den Journalisten, die nach der Bundesratssitzung auf ihn warteten. „Lassen Sie mich zum Bundespräsidenten!“ – dort wartete ein Verdienstorden auf ihn –, herrschte er sie an und war in seiner silbernen Limousine verschwunden.

Dabei hatte der Morgen für Stoiber scheinbar triumphal begonnen. Kurz vor der Bundesratssitzung meldeten Nachrichtenagenturen: Die Union würde die Rentenbesteuerung blockieren. Darauf hätten sich die Ministerpräsidenten bei einem Frühstück mit CDU-Chefin Angela Merkel geeinigt. Quelle: die bayerische Staatsregierung.

Das war erstaunlich, denn Merkels Losung lautet seit Monaten, dass man die Rentenbesteuerung im Bundestag ablehnen würde – um sie im Bundesrat knapp passieren zu lassen. Schließlich ist eine Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts, dass Renten wie Pensionen zu versteuern sind (siehe Kasten).

Und nun dieser taktische Schwenk, bekannt gegeben von Bayern – war das eine Niederlage für Merkel? Die CDU-Bundestagsfraktion blieb gelassen: „Warten Sie die Abstimmung ab.“ Und tatsächlich: voller Sieg für die Parteichefin. Wie schon immer angekündigt, stimmten auch die CDU-Länder Hamburg und Sachsen für das Gesetz.

Was also ist beim Frühstück passiert, dass die Bayern missverstehen konnten, wie Sachsen stimmt? Ministerpräsident Georg Milbradt hatte es sehr eilig, zu versichern, dass er nicht schuld am Chaos sei: „Ich sage schon seit Monaten, dass das Gesetz aus staatspolitischen Gründen nicht blockiert werden kann.“ Andere Frühstücksteilnehmer können sich nicht erinnern, dass Milbradt so deutlich wurde. „Es blieb alles unklar.“

Vielleicht gewollt? In der Union gilt als denkbar, dass sich Milbradt subtil an den Bayern rächen wollte. Die hätten versucht, ihn umzustimmen, und Versicherungskonzerne angestiftet, in der Sächsischen Staatskanzlei anzurufen. Denn das neue Gesetz sieht vor, Erträge aus Kapitallebensversicherungen zur Hälfte zu versteuern. Bisher sind sie steuerfrei, wenn der Vertrag 12 Jahre läuft und nach dem 60. Geburtstag fällig wird.

Oder war alles anders – und die Bayern haben das taktische Spiel rund um Rheinland-Pfalz nicht begriffen? Das Land, regiert von SPD und FDP, sollte die restlichen Stimmen für das Gesetz beschaffen. Doch bis zuletzt legte sich Rheinland-Pfalz nicht fest, weil die Liberalen die Besteuerung der Versicherungserträge eigentlich ablehnen. Also ließ auch Sachsen alles offen. Erst in der Bundesratssitzung erfuhr Sachsen dann, dass Rheinland-Pfalz doch zustimmen würde – und sagte ebenfalls Ja.

Oder, so rätselt die Union, wollte Stoiber besonders strategisch sein, indem er vorlaut Fakten schafft? Jetzt jedenfalls herrscht Streit. Bayern warf Sachsen und Hamburg vor, dass sie eine geschlossene Unionsfront durchbrochen hätten. Das ließ Sachsen nicht auf sich sitzen: „Dummes Zeug.“