: Hüpfende Fische kontra Wasserwirtschaft
Das Landesumweltministerium wünscht sich fischfreundliche Wasserkraftwerke. Eine gesetzliche Regelung gibt es derzeit noch nicht. Unternehmer bauen nun Fischtreppen, fürchten aber um die Wirtschaftlichkeit ihrer Anlagen
DÜSSELDORF taz ■ Das Leben eines Lachses ist ein eintöniger Kreislauf. Geboren werden nahe der Quelle eines Flusses, dann herunter wandern in Richtung Mündung, schließlich wieder hinauf schwimmen, Eier legen und sterben. Doch nicht überall funktioniert dieser Kreislauf: In Kanada lauern hungrige Braunbären den hüpfenden Fischen auf, in nordrhein-westfälischen Flüssen warten sperrige Staudämme und Wasserkraftwerke – weswegen es im Land kaum noch Lachse gibt.
Um das zu ändern, hat die EU eine Richtlinie herausgegeben, die in Zukunft die Durchlässigkeit von Flüssen vorschreibt. Und das grüne Landesumweltministerium versucht, mit dem „Wanderfischprogramm NRW“ die Flüsse des Landes wieder fischreicher zu machen. Dabei geraten die Umweltpolitiker jedoch in einen Zielkonflikt zwischen Naturschutz und der Förderung der regenerativen Energie Wasserkraft: Eine Verordnung der Bezirksregierung Arnsberg, nach der Kraftwerke an der oberen Ruhr umgebaut werden sollten, setzte das Ministerium aus. Gutachter prüfen nun, welche Gewässer für die Wasserkraft freigegeben werden sollen und wie die Stromproduzenten ihre Kraftwerke nachrüsten können. Ergebnis der Untersuchungen soll Ende des Sommers ein „Leitfaden Wasserkraft“ sein, der Erlasscharakter haben soll.
„Wenn wir flächendeckend umrüsten müssen, können wir nicht wirtschaftlich arbeiten“, sagt Rainer Bosse, Wasserbau-Ingenieur der RWE-Tochter Harpen AG. Dennoch entwickle sein Unternehmen Prototypen, die Fischen das Wandern ermöglichen sollen. So überlege man, in Unkelmühle an der Sieg für rund 800.000 Euro Investitionskosten eine Rechenanlage mit einem Durchlass von 10 Millimetern zu bauen, die verhindern soll, dass Fische in die Turbinen des Kraftwerks geraten, wo sie dann meist fein säuberlich filetiert werden.
Bosse dämpft jedoch die Erwartungen: „Von den Laichgebieten bis zur Mündung, das können wir den Lachsen sowieso nicht ermöglichen.“ Allein an der Ruhr müssten dafür 43 Barrieren überwunden werden – eine Renaturierung erscheint hier kaum möglich.
Das Landesumweltministerium kündigt an, mit dem neuen Leitfaden den Zielkonflikt zwischen Stromgewinnung und Naturschutz zu lösen.„Wir wollen ja beides“, sagt Ministeriumssprecher Leo Bosten. Er dementiert zudem Medienberichte, nach denen das Ministerium die Wasserkraft über den Artenschutz stellen werde.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) in Nordrhein-Westfalen mahnt eine genaue Einzelfallprüfung an: „Der Rückbau von Wehren ist mancherorts notwendig“, sagt Sprecher Dirk Jansen. „Aber es hätte eine fatale Außenwirkung, wenn eine grüne Ministerin regenerative Energie durch den Rückbau von Kraftwerken torpedieren würde.“
KLAUS JANSEN