: Eine wohnliche Familie
Ganz die gute alte Schule und damit ganz schön erfolgreich: Rahaus Möbel ist ein Familienbetrieb Westberliner Prägung. Das Unternehmen bietet den großen Ketten, die immer das Gleiche anbieten, Paroli – und zwar jenseits besonderer Nischen
VON MICHAEL KASISKE
Rahaus ist ein Berliner Möbelgeschäft. Ein Westberliner, sollte man der Genauigkeit halber hinzu fügen, nicht nur, weil sich die vier Läden allesamt in Charlottenburg und Schöneberg befinden. Und auch der Zungenschlag des Juniorchefs Roman Rahaus, der seine Herkunft aus den bürgerlichen Westbezirken der Stadt belegt, ist nicht ausschlaggebend. Das Berlinerische und auch der Erfolg des Unternehmens liegen in dem kundenorientierten und persönlich gefärbten, gleichwohl großstädtischen Stil, der viele heute nicht mehr existierende Familienbetriebe in der einstigen Inselstadt kennzeichnete. In dieser Art von Fachgeschäften werden Trends gepflegt, ohne dass diese das gesamte Image bestimmen.
Bei Rahaus stehen die Filialen unter verschiedenen Mottos. Im Hauptgeschäft „Rahaus Country“ widmet man sich den Landhausmöbeln, die überwiegend aus massiven Hölzern gefertigt sind und zusammen mit Naturstoffen Gemütlichkeit und Komfort ausstrahlen. Ein Schwerpunkt liegt auf so genannten Kolonialmöbeln aus Asien, die der junge Rahaus im Übrigen auch für seine persönliche Einrichtung bevorzugt. Passend dazu dominieren Accessoires das Angebot, die Wärme ausstrahlen, wie Kerzen, irdenes Geschirr und Glas in bekannten Formen. Dass sich die Ausstellungsräume in einem alten Fabrikgebäude befinden, verstärkt die gediegene Atmosphäre.
Das prominent am Wittenbergplatz gelegene Geschäft „Rahaus Wohnen“ ist hingegen primär auf die Bedürfnisse junger Kunden ausgerichtet, die ihre erste Wohnung nicht mit dem allgegenwärtigen Ikea-Chic ausstatten wollen. Hier ausgestellte Produkte aus industriell verarbeiteten Materialien wie Edelstahl und Acrylglas strahlen Modernität aus, entsprechend dem Selbstverständnis der in dieser Gegend ansässigen quirligen Szene.
In der unlängst erweiterten Filiale „Rahaus Living“, mit der das Unternehmen an der Möbelmeile in der Kantstraße Flagge zeigt, liegt der Schwerpunkt auf Accessoires, bei „Rahaus Loft“ auf leichtem Mobiliar. Bedauerlich, dass die Produktpaletten der einzelnen Geschäfte nicht streng geschieden werden – so sind manche Dinge in mehreren Filialen gleichzeitig vertreten, was deren Profil empfindlich schwächt.
Vom erste Geschäft an, das 1972 in der Lietzenburger Straße eröffnet wurde, war die Ausrichtung stets programmatisch. Lag der Schwerpunkt zunächst bei Dekostoffen und Gardinen, kam sukzessive durch die Erweiterung der Dienstleistung bis hin zur Erstellung kompletter Einrichtungen Mobiliar ins Sortiment. Der Seniorchef fungierte als Innenarchitekt, und das Herstellen von Atmosphären in den Geschäften ist bis heute sein Metier geblieben.
Rahaus senior orientiert sich stets an Trends. So etablierte er in der zweiten Hälfte der 1970er-Jahre am Adenauerplatz einen Laden mit englischen Möbeln und Antiquitäten. Zu diesem Zeitpunkt stand das Pfund niedrig und der Unternehmer fuhr selbst etwa alle zwei Wochen mit einem Lkw und zwei Kollegen zum Einkauf nach England. Eine weitere Station in der Firmengeschichte war „City-Möbel“ am Kurfürstendamm, ein kleiner Laden mit preisgünstigen Möbeln für junge Leute, der kürzlich wegen der geringen Ladenfläche und der ansteigenden Mieten aufgegeben wurde. Läden in der Nürnberger Straße mit kunstgewerblichen Produkten oder eine Filiale in Frankfurt (Oder) waren Versuche, mit anderen Sortimenten zu reüssieren. Es ist bemerkenswert, wie geschickt Rahaus unterschiedliche Segmente am Markt ausprobiert, ohne damit die Existenz des Geschäfts in Frage zu stellen.
Das hat seine Ursache in der Handelspolitik. Anders als nahezu achtzig Prozent der Branche ist das Unternehmen ein „Einzelkämpfer“, wie der Juniorchef Roman Rahaus selbstbewusst feststellt. Die meisten Kollegen sind nämlich in Einkaufsverbänden organisiert, die über ihre international agierenden Einkäufer das Angebotsprofil der Einzelhändler bestimmen.
Bei Rahaus wird die Ware direkt vom Hersteller bezogen, gleichgültig, in welchem Teil der Erde sich dieser befindet. Durch diesen Direktimport und die Umgehung des Zwischenhandels und seiner Margen kann dem Kunden ein günstiger Preis geboten werden. Gern erzählt Rahaus junior das Beispiel von einem Regal, das in den eigenen Läden für 399 Euro zum Verkauf angeboten wurde, bei einem Importeur freilich schon 420 Euro im Einkauf kosten sollte, wozu noch Mehrwertsteuer und Transportkosten zu addieren wären. Ein Produkt so kostengünstig verkaufen zu können, empfindet Rahaus junior berechtigt als ein Erfolgserlebnis.
Der direkte Einkauf hat freilich auch seine Kehrseiten. Zum einen muss dem Hersteller eine größere Stückzahl abgenommen werden, wofür ein Lager mit über sechstausend Quadratmeter Fläche unterhalten wird. Zum anderen heißt das auch, drei Monate im Jahr Messen in aller Welt zu besuchen. Bei allem Spaß an der Recherche und der Freude beim Aufspüren von Neuheiten ist das eine große Anstrengung. Überwiegend kommen die Produkte noch aus Europa, tendenziell nehmen jedoch die Importe aus Asien zu. Polstermöbel bezieht Rahaus freilich gern aus den USA und England, wo diese wesentlich weicher und üppiger als auf dem europäischen Festland gefertigt werden.
Der Juniorchef hat Tischler gelernt, bevor er sich mit einem Betriebswirtschaftsstudium den kaufmännischen Schliff holte. Inzwischen arbeitet auch seine Schwester, die lange in der Bankbranche tätig gewesen ist, mit im Geschäft. Insgesamt beschäftigt Rahaus inzwischen 85 Mitarbeiter. Es kommt nicht von ungefähr, dass bei Rahaus, entgegen dem Trend der Möbelbranche, die Geschäfte gut laufen. Was auch beweist, dass der Einzelhandel auch außerhalb besonderer Nischen den großen, immer das Gleiche anbietenden Ketten Paroli bieten kann.
Rahaus Country: Franklinstr. 12–14, Berlin-Charlottenburg. Rahaus Loft, Franklinstr. 8, Berlin-Charlottenburg. Mo.–Fr. 10–19 Uhr. Rahaus Living: Kantstr. 151, Berlin-Charlottenburg. Rahaus Wohnen: Bayreuther Str. 36, Berlin-Schöneberg. Mo.–Fr. 10–20 Uhr. www.rahaus.de