Für ein Europa ohne Habermas

Der bekannte Münchener Sozialphilosoph Rudi Hurzlmeier im Gespräch

Rudi Hurzlmeier ist kein Unbekannter in der europäischen Sozialphilosophenszene. Seit 1993 gibt er im renommierten Londoner Verlag Twistleton & Young einmal jährlich „The Philosopher‘s Yearbook“ heraus, zu dessen ständigen Mitarbeitern u.a. Susan Sontag, Peter Glotz und Sir Ralf Dahrendorf gehören. 1999 erhielt Hurzlmeier in Kopenhagen als erster Deutscher den angesehenen „Pris for Offsätten ut germansker Tsong“ und im Mai 2002 im Elsass die Ehrenplakette der Gesellschaft für das bedrohte Elsass. In seiner Freizeit arbeitet er als Kunstmaler.

taz: Herr Hurzlmeier, Sie haben sich auf einer viel beachteten Pressekonferenz in Straßburg für ein Europa ohne Jürgen Habermas ausgesprochen. Was haben Sie gegen Habermas?

Rudi Hurzlmeier: Persönlich nichts. Ich kenne den ja gar nicht.

Laut dpa sollen Sie Habermas mit Adenauer verglichen haben.

Das war auch so einer. Immer vorneweg, sogar als Greis noch. Konrad Adenauer war 73 Jahre alt, und da fing seine Ära erst an! Das ist doch nicht mehr normal.

Sind Sie dagegen, dass sich Senioren politisch engagieren?

Stopp, stopp, stopp. Sie wollen mich hier auf irgendwas festnageln, das ich so nie gesagt habe. Fakt ist: Ich bin Europäer. Die Betonung liegt auf „Europäer“. Und als Europäer würde ich selbst gern mal was losmachen politisch, aber da galoppiert ja schon überall der Habermas rum, und den kann ich nun mal nicht leiden. Auch das ist Fakt.

Warum denn nicht?

Der ist doch auch nur ein kleiner Mann von der Straße. Wie kommt der Kerl dazu, sich permanent als Riesenmeinungsführer in die Brust zu werfen und der Gesellschaft zu sagen, hallo, da und da geht’s lang? In den letzten fünfzig Jahren hat kein einziges größeres oder auch nur mittelgroßes politisches Ereignis stattgefunden, ohne dass der seinen Senf dazugegeben hätte. Was ich von Habermas schon alles gelesen habe! Aber meinen Sie, der hätte jemals auch nur eine einzige Zeile von mir gelesen? Wann hat der Typ denn zuletzt mal eine andere Meinung an sich rangelassen? Eine wie meine zum Beispiel? Eine, die nach Veilchen riecht und nach Umzug schmeckt?

Soll Jürgen Habermas ins Exil gehen?

Gute Idee.

Und wohin?

Dem steht doch die ganze Welt offen.

Einmal angenommen, Ihr Wunsch geht in Erfüllung. Was werden Sie dann tun?

Was schon? Ein Fass Bier aufmachen.

Und dann?

Und dann und dann! Ihr Reporter lasst wohl niemals locker. Für Sie bin ich doch nur eine Story. Aber wie es hier innendrin aussieht, in meinem tiefsten Herzen, das weiß keiner von euch Brüdern! Kein Einziger!

Wie sieht es denn da aus, in Ihrem tiefsten Herzen?

Das geht niemanden was an. Ich bin ein Nachkriegskind. Wir hatten praktisch gar nichts damals, nicht mal Sexualität. Wir sind noch barfuß zur Schule gegangen, und am Nachmittag mussten wir Pilze suchen.

Und trotzdem haben Sie sich schon früh mit philosophischen Problemen befasst. Ein prägendes Bildungserlebnis waren für Sie die drei großen Kränkungen des Menschengeschlechts – durch Kopernikus, der ermittelt hatte, dass die Erde nicht den Mittelpunkt des Weltalls bildet, durch Darwin, der die Abstammung des Menschen vom Affen behauptet hatte, und durch Freuds Theorie, dass der Mensch kein königlich regierendes Ich besitze, sondern nur ein Sklave der Befehle seines Unterbewusstseins sei. In Ihren Büchern „Hier irrte Kopernikus“, „Hier irrte Darwin“, „Hier irrte Freud“ und „Pardon, hier irrte Hurzlmeier“ haben Sie sich ausführlich mit Kopernikus, Darwin, Freud und schließlich mit sich selbst beschäftigt, aber die emotionale Ebene ausgeblendet. Erinnern Sie sich noch an den Tag, als Ihnen bewusst wurde, dass die Erde nicht der Mittelpunkt des Kosmos ist, die biblische Schöpfungsgeschichte mit den Ergebnissen der wissenschaftlichen Forschung nicht übereinstimmt und der Mensch von seinem Unterbewusstsein dominiert wird?

Da muss ich mal überlegen … doch, das weiß ich noch. Das war an einem Donnerstag. Da hab ich mir gedacht: Jetzt tu ich keinen Schritt mehr vor die Tür, jetzt bleib ich zu Haus, jetzt ist alles egal. Ich hab mir dann, das muss so gegen 16 Uhr gewesen sein, telefonisch eine Pizza Funghi bestellt, und abends hab ich im Hobbykeller gedartet. Ich komme ja aus einfachen Verhältnissen, ganz anders als dieser Habermas. Der hat auch garantiert noch nie gedartet. Das wär mein Traum, ein Dart-Duell mit Habermas, und wer verliert, kriegt Berufsverbot. Wie war nochmal die Frage?

Schon gut. Wir danken Ihnen für das Gespräch.

INTERVIEW: GERHARD HENSCHEL