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Archiv-Artikel

Wanderwähler, ade?

Berliner und Brandenburger Wahldebakel im Deutschen Journalisten- verband soll heute ein Ende finden: Bundesgremium entscheidet

VON FLORIAN HÖHNE UND STEFFEN GRIMBERG

Der Deutsche Journalistenverband (DJV) steht vor der Zerreißprobe. Erstmals in der Geschichte der Journalistengewerkschaft soll heute der außerordentliche Verbandstag der Bundesorganisation in Frankfurt den Ausschluss von 2 der 16 Landesverbände beschließen. Begründung: Die DJV-Ableger in Berlin und Brandenburg hätten „gegen grundlegende Prinzipien und Beschlüsse des DJV verstoßen“.

Denn in der Tat präsentiert die aktuelle Ausgabe des Verbandsorgans Journalist eine skurrile Situation: Da listet der Landesverband Brandenburg 47 Neuzugänge auf – 39 davon wohnhaft in Berlin. Der Berliner Landesverband hat im Berichtszeitraum zwar auch Neuaufnahmen zu verzeichnen, verzichtet auf eine namentliche Meldung im Journalist. Aus gutem Grund: Denn die Neuzugänge wären ziemlich identisch mit den vorher nach Brandenburg abgewanderten.

Sogar vier der am 5. Juni gewählten Mandatsträger des Berliner Verbandes – also die Hälfte des derzeit amtierenden Vorstands – stehen auf der Brandenburger Aufnahmenliste. Dort waren sie eingetreten, um an den Brandenburger Vorstandswahlen im Mai teilnehmen zu können.

Mit diesem Wahltourismus begründet der Bundesvorsitzende Michael Konken, dass der Ausschluss der beiden Verbände notwendig sei: „Es wurden auch viele Mitglieder aufgenommen, die nicht Journalisten sind“, so Konken, „das hat nichts mit dem DJV zu tun.“ Die vom Berliner Landesvorstand eingesetzte Wahlprüfungskommission interessiere ihn überhaupt nicht: „Ich gehe davon aus, dass die Originalunterlagen sowieso nicht mehr prüfbar sind.“

Dazu passen die Ungereimtheiten, von denen Brigitte Baecker, ein Mitglied der Mandatsprüfungskommission und ehemalige Redakteurin bei der Berliner Morgenpost, berichtet: 40 der von Brandenburg nach Berlin gewechselten Mitglieder hätten bis zum 12. Juli keinen beim DJV verbuchten Mitgliedsbeitrag bezahlt. Das aber ist Voraussetzung für die Teilnahme an Wahlen. Dennoch haben besagte 40 mitgestimmt und geholfen, den skandalumwitterten Vorsitzenden Alexander Kulpok im Amt zu bestätigen.

Diesen Ungereimtheiten zum Trotz hat die Mandatsprüfungskommission die Wahlen für rechtmäßig erklärt. Wenig verwunderlich: Alle Mitglieder mit Ausnahme von Baecker gehören zu besagten Neuzugängen aus Brandenburg.

Auch im Berliner Landesvorstand weckten die Indizien Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Wahlen. „Auf dem Verbandstag muss noch gezeigt werden, ob das alles mit rechten Dingen zugegangen ist“, sagte Vorstandsmitglied Margsut Kleemann der taz. Er gehört zwar auch zu den Neuzugängen – im Mai kam er aus dem nordrhein-westfälischen Landesverband – will aber seinen „Lebensschwerpunkt dauerhaft nach Berlin verlagern“, so Kleemann. Er erwarte sich auch Klärung darüber, wer all die „scharfmachenden Pressemitteilungen in die Welt gesetzt hat“. Bei allen Ungeklärtheiten ist aber zumindest diese Frage schon sicher beantwortet: Der DJV-Bundesvorstand veröffentlichte die Pressemitteilungen.

Drei der Berliner Vorstandsmitglieder folgten wegen des Debakels um Wahltourismus sogar der Aufforderung des Bundesvorstandes vom 21. Juni und traten am zurück: Die Vorstände und langjährigen DJV-Mitglieder Susanne Arabi, Asta Wegner und Michael Schumacher begründeten ihr Verhalten damit, Schaden vom DJV Berlin abwenden zu wollen. Diese Rücktritte allerdings verheimlichte Alexander Kulpok selbst auf der Pressekonferenz Ende Juni, auf der er gegen den Ausschluss protestierte.