: HIV-Kranken schützen
„Drogensucht ist eine seelische Krankheit“: Leiter des Gesundheitsamts kritisiert Abschiebungspläne
Bremen taz ■ Ein Urteil des Bremer Verwaltungsgerichts schlägt Wogen im Bremer Gesundheitsamt. Die Richter hatten dem Ausländeramt Recht gegeben, das einen 26-jährigen in Bremen geborenen Türken trotz Drogensucht und HIV-Infektion wegen fortgesetzter Beschaffungskriminalität in die Türkei abschieben will. Über eine Berufung ist noch nicht entschieden.
In der Urteilsbegründung hatten die Richter unter anderem geschrieben, der substituierte Mann könne den Suchtersatzstoff Methadon in Deutschland entziehen – sein weiteres Leben in der Türkei sei dann „sein eigenes Lebensrisiko“.
„Dabei hat das Gericht offenbar nicht berücksichtigt, dass Drogensucht nach dem Sozialgesetzbuch eine seelische Krankheit ist“, sagte dazu der Leiter des Bremer Gesundheitsamtes, Jochen Zenker. Dies habe das Bundessozialgericht bereits 1968 festgeschrieben. Insofern sei die von den Richtern vorausgesetzte Eigenverantwortung als Voraussetzung für einen Methadonentzug nur sehr eingeschränkt gegeben. „Drogenkranke sind eben nur sehr begrenzt einsichtsfähig“ sagte Zenker.
Da der Mann HIV-infiziert ist und Hepatitis hat, sieht Zenker eine besondere medizinische Fürsorgepflicht gegeben. Zudem habe ein Empfehlungsschreiben des Robert-Koch-Instituts in Berlin erst unlängst ausgeführt, dass eine „HIV-Infektion bei den Betroffenen in der Regel ohne antiretrovirale Behandlung früher oder später unweigerlich zum Tode führt“. Aus medizinischer und humanitärer Sicht, so das Institut, seieine Abschiebung in ein Land, in dem solche Behandlunsgmöglichkeiten nicht zur Verfügung stünden, nicht vertretbar.
Nach Beobachtungen der Flüchtlingshilfsorganisation Pro Asyl gibt es dazu für die Türkei widersprüchliche Aussagen. So gebe es zwar die sogenannte „Grüne Karte“ , die die Gesundheitssversorgung Mittelloser sichern solle. Darauf hatte sich auch das Bremer Verwaltungsgericht nach Auskunft des Auswärtigen Amtes gestützt. Doch schränkt die Schweizerische Flüchtlingshilfe dies ein. Auch nach Berichten von AnwältInnen sei die Versorgung allenfalls in den Städten gesichert.
Gesundheitsamtsleiter Zenker verweist zudem darauf, dass Deutschland die Europäische Menschenrechtskonvention unterzeichnet habe, wonach eine Abschiebung nicht zulässig wäre. „Es besteht das Gebot, diesen Mann hier zu behandeln“, so Zenker. Auch das Berliner Robert Koch-Institut war von einer „medizinischen und humanitären“ Verpflichtung ausgegangen. ede