: Auf dem Land warten Probleme
Hilfswerken in Liberia gewährt ein Abkommen mit den Rebellen Zugang ins Hinterland
MONROVIA taz ■ Einige Vertriebenenlager in Liberias Hauptstadt Monrovia leeren sich bereits. Wahrscheinlich treibt der Hunger die Menschen weg und nicht das Vertrauen auf Sicherheit nach der Unterzeichnung des Friedensvertrages. Denn am Hunger hat das Abkommen nichts geändert. Das berichten auch Hilfswerke vor Ort.
Viele Vertriebene kamen vor Monaten aus der Umgebung von Monrovia auf die Halbinsel zu den Regierungstruppen. Sie haben es zu ihren Wohnungen nicht allzu weit. Sie müssen über die Brücke, die seit vergangenen Freitag wieder offen ist. Menschen allerdings, die von weit her in die Hauptstadt gekommen sind, wollen vorerst noch bleiben. Viele sagen, sie wollen erst dann nach Hause zurückkehren, wenn die nigerianisch geführte Friedenstruppe Ecomil auch dort Stellung bezogen hat.
Vor einigen Tagen wurde ein Abkommen mit den Rebellen geschlossen, dass Hilfe nun auch in die von ihnen kontrollierten Gebiete gebracht werden kann. Einige Organisationen wie „Medecins sans Frontiers“ haben bereits versuchsweise erste Lieferungen ins Inland gefahren. Andere wie Oxfam bleiben vorerst zurückhaltend. Sam Nagbe, Projektverantwortlicher von Oxfam, begründet das so: „Hilfslieferungen können auch Unheil bringen. Wir haben bei früheren Krisen die Erfahrung gemacht, dass, nachdem wir Hilfe irgendwohin gebracht haben, kurz darauf die Rebellen oder andere Milizen diesen Ort überfielen.“ Oxfam werde wohl erst nach den Ecomil-Truppen in das Hinterland fahren, sagt Nagbe. Auch wenn man die Dringlichkeit sehe und die Probleme dort noch gar nicht absehbar seien.
In manchen Teilen Liberias war seit drei Jahren kein Beobachter. Erste Eindrücke von Hilfskräften gehen von einem mindestens ebenso großen Bedarf an Nahrungsmitteln aus wie bei den Vertriebenen in Monrovia. Doch bis die Friedenstruppen im ganzen Land präsent sind, kann noch einige Zeit vergehen. Derzeit sind gerade mal 1.500 Soldaten da. Dazu kommen 200 US-Marines. Diese Zahl hätte bereits vor zwei Wochen erreicht werden sollen. Für Ende des Monats ist eine Sollstärke von 3.000 Mann vorgesehen, doch das erscheint unrealistisch.
Halten sich alle an die Worte auf dem Papier, dann wäre das Schlimmste in Liberia überstanden. Überall in Monrovia lesen die Bürger auf Plakaten Weisheiten wie „Auch Worte können töten“, „Unausgewogene Berichterstattung ist eine Menschenrechtsverletzung“ oder „Jedem gebührt Gerechtigkeit“. Aber in der Vergangenheit war Letzteres meist ein Trugschluss. Die Rebellen verübten etwa Kriegsverbrechen auch nach dem Friedensabkommen vom 17. Juni, als sie mit Granaten auf Flüchtlingslager schossen. Darauf weist auch John Richardson, Sicherheitsberater des Präsidenten, hin. „Wir haben nicht nur einmal gesehen, was Verträge mit Rebellen in diesem Land zählen. Glauben Sie nicht, dass eine Einheit von 20 oder 200 Kämpfern immer die Befehle der Rebellenchefs befolgt – die kennen die nicht einmal. Und wie wollen Sie solche losgelösten Kampfgruppen zur Rechenschaft ziehen? Ihnen keinen Sold zahlen? Den haben sie sowieso nicht. Das Einzige, was Sinn macht, ist, die Friedenstruppen massiv und überall zu stationieren“, sagt Richardson, der schon unter Charles Taylor den Posten innehatte und von Übergangspräsident Moses Zeh Blah übernommen wurde. HAKEEM JIMO