: Immer auf’m Deich lang
Der Elberadweg zwischen Hamburg und Wittenberge führt durch alte Naturlandschaften und ist auch für ungeübte Radfahrer und Kinder geeignet. Die Infrastruktur für Radwanderer ist gut
VON REIMAR PAUL
Wer sich für eine Radtour an der Elbe entscheidet, von Hamburg flussaufwärts zum Beispiel, trifft eine gute Wahl. Die Strecke verläuft großteils flach, ist alsoauch für Kinder bestens geeignet. Auf beiden Ufern sind Radwege, man kann auf der einen Seite hin und auf der anderen Seite zurück fahren. Es gibt in der schönen Landschaft viel zu gucken, und um Unterkunft, Essen und Trinken braucht man sich nicht zu sorgen – besonders am Ostufer der Elbe, in den nicht mehr ganz so neuen Bundesländern, haben in den vergangenen Jahren zahlreiche Pensionen, Cafés und Kneipen eröffnet, viele sind auf Radfahrer eingestellt.
Den ersten längeren Halt ist das rund 800 Jahre alte Städtchen Lauenburg ganz im Süden Schleswig-Holsteins wert. Der Kern der früheren Schiffersiedlung am Elbufer wurde schön hergerichtet. Hoch über dem Fluss thront das alte Schloss. Den Turm kann man besichtigen, in den weitläufigen Zimmerfluchten sitzen heute Verwaltungsangestellte. Kleine Abstecher nach Norden oder Westen bieten sich an: vom Elberadweg zweigen in Lauenburg zwei weitere Radler-Routen ab, die Alte Salzstraße und der Radfernweg Hamburg-Rügen.
Wie die Düne lebt
Das Amt Neuhaus bietet mit der noch „lebenden“ Sixter Wanderdüne ein landschaftliches Kontrastprogramm. Der Sand wird durch den Wind ständig bewegt und neu verteilt, auf dem fast zehn Hektar großen Gelände verschieben sich die Offensandbereiche und Trockenrasen-Flächen. Dass die Düne bis heute aktiv ist, sieht man an den halb verschütteten Kiefern.
Die mittlere Elbe ist einer der naturbelassensten Flüsse Europas. Meist wurden die Deiche weit weg vom Wasser gebaut. Die oft überschwemmten Wiesen bieten gemeinsam mit Altarmen und kleinen Tümpeln ein prachtvolles Panorama. Die schönsten Abschnitte der Elbtalaue finden sich im Wendland, die allerschönsten zwischen Hitzacker und Dömitz sowie Pevestorf und Schnackenburg.
Vom Biber zum Castor
Ganz in der Nähe von Pevestorf führt der Elberadweg durch das verwunschene Elbholz. In dem alten Sumpfwald tummelt sich viel Federvieh und anderes Getier. Im ebenfalls nahen Flüsschen Seege, das bei Gartow in die Elbe mündet, haben Biber ihre Burgen gebaut. Auch von hier lohnen Abstecher ins Hinterland. Wer noch nicht dort war, kann sich den Gorlebener Atomkomplex anschauen; Castorhalle, Fasslager und Pilotkonditionierungsanlage sind vom Fluss in einer Viertelstunde zu erreichen. Zum Verarbeiten der Eindrücke empfiehlt sich eine Pause in einer der nahen „Widerstandskneipen“, Santelmann in Gedelitz oder den Trebeler Bauernstuben. Das eine oder andere Rundlingsdorf ist ebenfalls einen Besuch wert. Wer dazu keine Lust hat, kann mit dem Finger auf der Radkarte Orte mit so putzigen Namen wie Waddeweitz, Meuchefitz oder Reddebeitz abfahren.
Eine zeitgeschichtliche Hinterlassenschaft ist die „Dorfrepublik Rüterberg“ auf der mecklenburgischen Elbseite. Der Ort liegt auf einer Landzunge und war in der DDR komplett abgesperrt und eingezäunt. Die Bewohner erzählen, wie sie beim Betreten und Verlassen des Dorfes jedes Mal ihre Papiere vorzeigen mussten und kaum Besuch empfangen konnten. Als Erinnerung an diese Zeit gab sich der Ort nach dem Fall der Mauer bei einer Einwohnerversammlung den Namen „Dorfrepublik Rüterberg“.
Wo der Storch schnorrt
Ab Schnackenburg führt der Elberadweg nur noch am östlichen Ufer entlang. Die Weiterfahrt wenigstens für ein paar Stunden ist trotzdem zu empfehlen. Man kommt dann nämlich in das „Storchendorf“ Wahrenberg, wo jedes Jahr bis zu 20 Paare nisten und einige Vögel so zutraulich geworden sind, dass sie die Dorfstraße entlang staksen und vor der Bäckerei um einen Bissen Brot betteln. Wir haben die Tour in Wittenberge beendet, einer kleinen Stadt mit saniertem Kern und weitgehend verlassenen und verkommenen Rändern – ein prima Beispiel für die von Ex-Kanzler Helmut Kohl versprochenen „blühenden Landschaften“.