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Archiv-Artikel

Die Welt als Teflon und Asbest

In TV-Spots für den Baumarkt-Multi Hornbach rezitiert Blixa Bargeld neuerdings betonschwere Werbeprosa

Schon als Texter und Sänger der Einstürzenden Neubauten gab Blixa Bargeld gerne den Spätgeborenen des literarischen Expressionismus. Eine frühe Single der Gruppe hieß „Durstiges Tier“, später sang Bargeld: „Nur die halbe Welt ist Teflon und Asbest/ Der Rest brennbar“. Bargelds Lyrik erfüllt damit das Ideal des Expressionismus. Das innere Erleben wird verkündet, ja herausgebrüllt mittels einer Kombination starker Laute.

Jetzt weist der Dichter mit dem Finger auf einen Ort, wo der Expressionismus all die Jahre seit den 20ern bis heute überlebt hat. Denn zum ersten Mal macht Bargeld Werbung und rezitiert dafür aus Prospekten des Bau- und Gartenmarktes Hornbach.

Die Titel der 13 verschiedenen TV-Spots versprechen schwarz geränderte Poesie. „Fluginsekten-Vernichter“, „Quarzit-Polygonal-Platten“ und „Feuchtschäden“ heißen die Stümmelgedichte, und sie stammen nicht aus der Feder eines Trakl, Heym oder Benn. Bargeld bewegt sich in ihnen, als habe er endlich eine neue Spielwiese gefunden. Wie er „Schmutzwassertauchpumpe“ ausspricht, bei „Pumpe“ die Backen aufbläst und bedeutungsvoll den linken Arm nach oben lüftelt. Wie er „Körngröße“ sagt! Hier zeigt einer Feuer für das Wort.

Die dramatischen Posen des Overactings dienen Bargeld als Mittel, um Leidenschaft zu bekunden. Im Spot „Bohrlochschlämme“ sitzt er in Zwirn und Dichterhut vor offen verfugtem Steinmauerwerk. Den brutalen Produktnamen bringt er zärtlich über die Lippen, wedelt dabei mit der eingeknickten Hand, und bei der Passage „Zur wasserdichten Verfüllung von Rissen und Hohlräumen“ zischen scharf die „S“-Laute, schnell schneidet die Hand einen Riss in die Luft. Selbst der Claim „Hornbach – Es gibt immer was zu tun“ und die abschließende Pointe „Yippieyahyah, Yippie Yippie Yeah“ werden bei ihm zu Ereignissen der darstellenden Kunst.

Verantwortet werden die Spots von einer Berliner Agentur mit dem Namen Heimat. Ihr ist bereits die vorangegangene TV-Kampagne für das selbe Unternehmen hoch anzurechnen, bot sie doch eine seltene halbe Minute unpeinlicher Fernsehwerbung. Diverse Familienmitglieder wurden da für ihr nachlässiges Verhalten gegenüber Haus und Garten bestraft, indem sie zum Beispiel vom Weißen Hai gefressen wurden.

„Blixa Bargeld liest Hornbach“, die neue Spot-Serie, läuft nun ab dem 26. Juli auf Viva. Dabei spricht die Kampagne auch alle mit Punk und nach Punk sozialisierten Erwachsenen an, findet sie doch eine lyrische Sprache für die Do-it-yourself-Idee der Bewegung. Für jenen Gedanken also, der von Bargelds Neubauten noch einmal expressionistisch übersteigert wurde.

CHRISTOPH BRAUN