pachls nachsichten : Fortschrumpf im Schrumpfschritt
Der KabarettistHEINRICH PACHLhat links seinenfesten Platz
Diese Woche musste ich mal raus aus Köln und war in Halle an der Saale. Das Wetter war bestens, und die Menschen dort im Osten sagten sich, wenn schon die Sonne lacht, müssen wir das nicht auch noch.
Mein erster Eindruck: Die Hallenser gehen sorgsam mit ihren Ressourcen um und verpulvern ihre Energie nicht in Alaaf und Stippeföttche, so dass für die eigentlichen kommunalen Herausforderungen keine Kraft übrig bleibt, wie wir es in Köln erleben. Halle hat dementsprechend bei der Bewerbung zur Kulturhauptstadt Europas 2010 die dortige Landesausscheidung gewonnen mit dem Motto : „Halle verändert!“
Halle ist auch in anderen Bereichen weit vorn. Während man in Köln über Luststeuer für Puff und Tabledance streitet, so dass den willigsten Freiern und Spannern die Geberlaune gefriert, hat die Puffmutter in Halle zur Linderung öffentlicher Not Eigeninitiative ergriffen.
Erst hat sie die ausgemusterte Bundesfahne vom Berliner Reichstag ersteigert, sie dann nach der Devise „Stolz auf Deutschland durch Lust auf Deutschland“ als Bordellbanner über ihrem Etablissement flattern lassen, hat, als das beim vergrätzen Bürgertum auf Verbiesterung stieß, nach dem Motto „Vorwärts immer! Rückwärts nimmer!“ den auratisch angereicherten Wimpel für das Dreifache weiterversteigert und schlussendlich den Gewinn nicht eingesackt, sondern einem Kinderschutzbund gegeben lassen, damit dessen Zöglinge nicht auf Abwege kommen und später womöglich noch bei ihr landen.
Halle ist auch in komplexeren Bereichen Köln voraus, indem es sich am DDR-Motto „Überholen ohne einzuholen“ orientiert. Nur 50 Prozent finden dort ihre eigene Stadt gut – man ist also wesentlich aufgeklärter und illusionsloser. Im Stadtrat wird nicht klotzig koaliert, sondern bei insgesamt elf Fraktionen jedes Einzelproblem einer geschmeidigen Detailentscheidung zugeführt. Und Halle schrumpft, weit mehr als Köln.
Aber statt jammern und picheln heißt es dort „hammern und sicheln“. Schrumpfung wird nicht als Schande gesehen, sondern man hat das Positive und die Motorik darin erkannt und ja auch als Motto für die erfolgreiche Bewerbung zur Kulturhauptstadt 2010 genutzt.
Nach dem Motto von Mao „Im Niederreißen steckt der Aufbau“ macht man sich die Dynamik der Schrumpfung als Motor der städtischen Entwicklung zunutze. Dadurch sind Wachstum und Schrumpfung keine Gegensätze, sondern ergänzen sich: Fortschritt durch Schrumpfung als Fortschrumpf im Schrumpfschritt.
Und dabei werden in Halle 15 Prozent des Etats für Kultur ausgegeben, denn sonst kommt gar keiner mehr. Und von dieser Schrumpfdynamik könnte sich Kölns OB Schramma ruhig mal eine Scheibe runterholen.