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Archiv-Artikel

Jung, wild und hinterhältig

An der Hunte wird scharf geschossen: „Hands up baby, hands up“ heißt die Schau zum 160-jährigen Bestehen des Kunstvereins Oldenburg. Sie zeigt 160 taufrische Positionen

Heute hat es wieder Konjunktur: Bürgerengagement ist gefragt, in Zeiten leerer Kassen. Allzu selbstbestimmt freilich soll es dabei meist nicht zugehen. Dagegen war die Politik des Oldenburger Kunstvereins in seiner Gründungszeit schon fast revolutionär. Denn der damalige „literarisch-gesellige Verein“, in dem sich seit 1839 das gebildete Bürgertum traf, wollte die Kultur nicht länger dem Adel überlassen, sondern selbst für deren Belebung sorgen.

Großherzog Paul Friedrich August nebst Gattin Cäcilie von Schweden aber sahen nicht etwa zu, wie ihnen die Felle wegschwammen, sondern setzten sich an die Spitze der Bewegung: Sie schenkten dem Verein einen Neubau, das Augusteum. 160 Jahre ist das nun her, und so ein Jubiläum wird natürlich gefeiert. „Hands up baby, hands up“ lautet das Ausstellungsmotto zum Feste. Und wirklich wird unter dem Glasdach am Damm scharf geschossen: 160 KünstlerInnen zeigen viel Collage, scheinbar schlichte Stillleben und Politisch-Provokatives – alles frisch, aus den letzten fünf Jahren. Das System, das verrottete, die Kunst, die anmaßende – hier kommen sie auf den Prüfstand: „Whe need a new form of gouvernement to help the people“ fordert ein alte Frau mit Kopftuch, auf dem Boden kauernd, gezeichnet von Matthew Antezzo. Manuel Ocampo schickt Comic-Aliens zu George Bush, um dessen Wahlkampf zu unterstützen. Aggressiv Ironisches, das oft über handwerkliche Schludrigkeiten hinwegschauen lässt: Irgendwie Sixties, diese Millenniumskunst.

Und hinterhältig. Bitterböse etwa ist Gitte Schäfers „Wildlake“ von 2003: Fein ziseliert der Bleistiftstrich, Blütenranken, ein Eichhörnchen hüpft. Und, mitten im Idyll, ein Verbrechen: Die Katze fängt den Vogel, jeder Kitsch ist auf einem Mord begründet. Einige der namhafteren Künstler – John Bock etwa oder Damien Hirst – wirken neben so radikalen Auffassungen fast schon konventionell.

In ihrer Vielfalt macht diese Jubiläumsausstellung eindrucksvoll den Standpunkt des Kunstvereins deutlich: Längst hat man sich vom lokalen Bezug gelöst und überlässt dem Stadtmuseum die Regionalliga. So waren seit 1967 immer wieder international aktuelle Positionen zu Gast: Installationen von Thomas Schütte, Malerei von Nicola Staeglich, Fotografien von Heiner Schilling. Und dennoch bleibt der Kunstverein im guten Sinne ganz biedermeierlich beim Geist des literarisch geselligen Vereins: Es geht um die Kunst, danach geht es um die Kunst und dann geht es endlich auch noch – um die Kunst.

Marijke Gerwin

Hands up baby, hands up, Kunstverein Oldenburg. Bis 26. Oktober. Jubiläums-Filmprogramm am Sonntag, 14. September ab 11.00 Uhr. Infos unter www.kunstverein-oldenburg.de