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Archiv-Artikel

berliner szenen Legende vom Asia-Imbiss

Schicksalsnudeln

Die Vietnamesin K. hatte den jungen Mann im Telefonbuch gefunden. „Architekt“ stand neben seinem Namen. Sie rief an. Es gehe um den Asia-Imbiss, den sie im Bezirk Friedrichshain eröffnen wolle, erklärte sie. Ob der junge Mann ihr dafür einen baulichen Entwurf liefern könne?

Der junge Architekt am anderen Ende der Leitung schaute auf seine Zimmerwand und dachte an wirtschaftliche Prosperität. An eine Zukunft voller Glasnudelgerichte. An Zeiten besonderer Schicksalhaftigkeit.

Die Vietnamesin K. wusste ja nicht, wo sie angerufen hatte. Sie wusste nicht, dass der Architekt ziemlich runter war mit den Nerven; dass er gerade eine gescheiterte Liebesbeziehung mit Alkohol bewältigte, dass er Schulden hatte, weil ihm die New Economy einen bösen Streich gespielt hatte, die Selbstständigkeit ihn zuerst in eine elegante Büroetage und dann in die Zahlungsunfähigkeit getrieben hatte. Jetzt stand der junge Mann mit dem Hörer in der Hand in einem unaufgeräumten Zimmer in einem kaputten Haus in Friedrichshain und war einigermaßen überrascht von dem Auftrag.

Beim ersten Geschäftstreffen besprachen die beiden neuen Vertragspartner die Notwendigkeiten. Es stellte sich heraus, dass die Vietnamesin K. sich gerade aus der Ehe mit einem kaltschnäuzigen Deutschen befreit hatte. Jetzt will sie einen Imbiss aufmachen, der besser aussieht als die anderen im Viertel und zu dem die Menschen strömen in großen Pulks. Sie sagt, dass sie 50.000 Euro gerettet hat aus der Ehe. Der junge Architekt ist sich inzwischen nicht sicher, ob dieses Geld reicht. Er hat sich trotzdem an den Computer gesetzt und viele Linien entworfen. Es wird etwa der zwanzigste Asia-Imbiss sein, den es in der Gegend gibt. KIRSTEN KÜPPERS