: Kardinal Meisner spielt den Vorkoster
Vor dem Dom testet der Kölner Erzbischof, was zum Weltjugendtag 2005 aufgetischt wird. Dass der BUND die Papstmesse in der Hangelarer Heide verhindert hat, liegt ihm schwer im Magen. Naturschützer findet er „kleinkariert und spießbürgerlich“
Von SILKE FREUDE
Pilger, Kardinäle, Bischöfe, Mitarbeiter, Medienvertreter und ein Papst: Für den Weltjugendtag im August nächsten Jahres haben sich allein in Köln über 400.000 Personen angekündigt – und alle wollen sie essen, und zwar nicht nur Brot allein.
Die Mammutaufgabe, das Fußvolk zu verpflegen, will das Catering-Unternehmen Sodexho bewältigen. Rund 300 Büdchen sollen zu dem Zweck in der ganzen Stadt aufgebaut werden. In riesigen Pfannen – Durchmesser 1,10 Meter – brutzelt dann der christliche Lunch. Zum Beispiel „Hähnchenpfanne mit Wildreis und Sommergemüse“.
Kardinal Joachim Meisner darf beim Pressetermin am Samstag als erster probieren. Nachdem die feierliche Hissung zweier blauer Jugendtagsflaggen vor dem Dom und eine Talkrunde mit Jugendlichen bewältigt sind, ist es so weit: Umschwärmt von Klerikern, Journalisten und Kirchentags-Jugendlichen schreitet er in einem eigens neben dem Dom aufgebauten „Mini-Restaurant“ zur Verköstigung. Wie es schmeckt? Natürlich ausgezeichnet. Und: „Wer nicht genießt, wird ungenießbar“, ist Meisners Bonmot des Tages.
Für einige ausländische Gaumen sind deutsche Essgewohnheiten indes ein Problem. Martin Museme, Deutschlehrer aus Benin, ist vor gut zwei Wochen als „Langzeitfreiwilliger“ nach Köln gekommen. Ein Jahr lang arbeitet er im Callcenter des Jugendtages. „Ich habe mich noch nicht an das Essen hier gewöhnt“, sagt er in der Talkrunde. „Ich weiß zwar nicht, wie das manchmal heißt, aber essen kann ich es nicht.“ Die KollegInnen aus Tschechien, Polen, Litauen und der Slowakei haben es da wohl leichter. Auch sie gehören zu den 45 jungen Erwachsenen, die beim Organisator Weltjugendtag gGmbH ein freiwilliges soziales Jahr absolvieren.
Achtung, die Weltoffenheit der kölschen Katholiken wird getestet: „Kennen Sie auch positive Seiten an meinem Land Kolumbien?“, will die Langzeitfreiwillige Andrea Bejarano am Talk-Tisch vom Kardinal wissen. Der lobt den schönen Goldschmuck, den die Kolumbianer anzufertigen wissen, und die tollen sozialen Projekte der Kirche in Bogotà. Peter Sipula aus der Slowakei, auch ein Freiwilliger, lobt seinerseits den Papst: „Er ist glaubwürdig, und er glaubt an die Jugend“.
Organisatorische Fragen will man im Talk nicht erörtern. Nur soviel gibt Prälat Heiner Koch, der Generalsekretär des XX. Weltjugendtages, bekannt: „Wir sind im Zeitplan. Ich bin zuversichtlich, dass alles klappt, und ich kann auch nach wie vor ruhig schlafen.“ Ob das die restlichen 365 Nächte so bleibt?
Noch haben die Veranstalter keinen neuen Ort für die Abschlussveranstaltung gefunden. Der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) hatte mit Erfolg gegen den Plan interveniert, dass der Papst die Abschlussmesse des Weltjugendtages in der Hangelarer Heide bei St. Augustin zelebriert. Nun werden die erwarteten 800.000 Pilger doch nicht den „schützenswerten Lebensraum Halbtrockenwiese“ zertrampeln und auch nicht die dort lebende Kreuzkröte für immer vertreiben können (taz berichtete).
Die letzten Reste Hähnchen noch auf dem Papptellerchen, stellt sich Kardinal Meisner für Interviews zur Verfügung. Seine Meinung zum Vorgehen des BUND? „Ich bin traurig, dass so was in unserem Land möglich ist. Das sind so kleinkarierte Leute, die nur ihre eigenen Schäfchen ins Trockene bringen wollen. Für mich ist das Spießbürgerlichkeit hoch 100.“ Doch die Vorfreude aufs Großereignis lässt er sich von derlei Quertreiberei nicht vermiesen: Die Organisatoren seien mit mehreren Gemeinden im Gespräch, die ähnlich große Flächen anbieten könnten. Ausschlaggebende Kriterien für die Standortwahl seien außer der Größe auch Finanzierbarkeit und – die ökologische Situation. Nähere Informationen frühestens im September.
Mittlerweile hat sich auch Martin Museme eine Portion Hähnchenpfanne organisiert. Kritisch beäugt er die Brokkolistückchen. „Bei mir zu Hause gibt es keinen Reis, und dieses Gemüse kenne ich auch nicht“, erklärt er. „Aber es schmeckt nicht ganz so schlecht.“