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Polyglott und flott gemacht: Zum 10. Jubiläum hat sich das Berliner Radio Multikulti ein dezentes Programm-Lifting verschrieben und erweitert mit neuen Frequenzen seine Sendereichweite
VON DANIEL BAX
Für seinen Namen kann man nichts. Das gilt auch für das Radio Multikulti, dem sein Name vor zehn Jahren vom damaligen Muttersender SFB (heute RBB) in die Wiege gelegt wurde. Ein Name, der sicher gut gemeint war, aber auch als Hypothek verstanden werden konnte, klingt er doch ein ein wenig sehr nach pädagogisch wertvoller Alternativkultur, nach kunterbuntem Spielmobil und Rappelkiste.
„Vor allem die fremdsprachigen Redaktionen haben den Namen anfangs kritisiert“, gesteht Jacek Tyblewski von der polnischen Redaktion. „Wir haben uns nicht recht ernst genommen gefühlt.“ Doch inzwischen habe man sich an den Namen gewöhnt. In Berlin sei er längst zum Markenzeichen geworden. Und so sprach sich die Mehrheit der Redaktion von Radio Multikulti gegen eine Umbenennung aus, als es darum ging, nach zehn Jahren eine sanfte Reform des Programms zu wagen.
Denn zum runden Jubiläum hat sich der öffentlich-rechtliche Sender ein dezentes Programm-Lifting verordnet. Einst war das erste Multikulti-Radio der Republik am grünen Tisch der Senderverantwortlichen in Berlin entstanden: Als Antwort auf die rassistischen Übergriffe von Hoyerswerda bis Mölln entwarf man ein betont polyglottes Integrationsradio für Migranten und deren weltoffene Mitbürger. Dessen bunt zusammengewürfeltes Programmschema aus Weltmusiksendungen, Kulturradioformaten und fremdsprachigen Magazinen auf Vietnamesisch, Russisch oder Kurdisch ähnelte anfangs allerdings oft einem akustischen Flickenteppich. Die jetzige Programmreform zielt darum nun in erster Linie auf bessere Durchhörbarkeit: Bis auf den Block der 17 fremdsprachlichen Sendungen, der jeden Nachmittag ab 16 Uhr beginnt, klingt das deutschsprachige Programm jetzt wie aus einem Guss. Mit seinem Rundum-Lifting will sich der Sender auch als „interkulturelle Service-Welle“ behaupten, wie die neue Programmchefin Ilona Marenbach betont, weswegen auf Radio Multikulti neuerdings auch Verkehrsnachrichten gemeldet werden. Und unter dem Slogan „World Wide Music“ konzentriert man sich verstärkt auf „Popmusik aus aller Welt“, so Musikchef Tobias Maier. Zwar hat die unüberhörbare Globalisierung des Pop dazu geführt, dass einst exotische Stars wie Shakira, Tatou und Sertab Erener längst auch auf anderen Sendern gespielt werden, die damit Radio Multikulti Konkurrenz machen. Dort aber kann man sie dafür aber in der Originalversion hören, auf Spanisch, Russisch oder Türkisch – neben südamerikanischem Salsa, Reggae und französischem Chanson-Pop.
Zum Jubiläum hat Radio Multikulti aber auch eine neue, stärkere Frequenz bekommen. Musste man das Programm früher ganz am Ende der Berliner UKW-Skala suchen, wo es ausgerechnet in Einwandererbezirken wie Kreuzberg und Neukölln nur schlecht zu empfangen war, so ist mit dem neuen Sendeplatz 96,3 nun spürbar in die Mitte gerückt. Seit Mai diesen Jahres ist der Sender überdies auch in Cottbus und Frankfurt (Oder) auf UKW zu hören. Dass das polyglotte Multifunktionsprogramm auch dort sein Publikum findet, dürfte nicht nur der EU-Osterweiterung zu verdanken sein. Sondern auch der Einzigartigkeit des Senders, der sogar außerhalb seines eigentlichen Sendebereichs enthusiastische Hörer findet. Denn da das Programm über Internet weltweit abrufbar ist, kommen ab und zu auch Rückmeldungen aus entfernteren Regionen per Mail ins Rundfunkhaus an der Masurenallee, von Bayern bis Brasilien.
Tatsächlich ist Radio Multikulti bis heute ziemlich einmalig geblieben – sieht man einmal vom befreundeten Funkhaus Europa in Köln ab, das vor fünf Jahren mit einem vergleichbaren Ansatz auf Sendung ging. Mit dem Partnersender beim WDR tauscht man heute einen guten Teil seiner Sendungen aus. Legendär ist etwa das Nachtprogramm von Radio Multikulti, für das Musiksendungen aus aller Welt übernommen werden, von Radio Nova aus Paris bis zu Gilles Petersons' „World Wide“ aus London: Ein Musik-Parcours für radiophile Globetrotter. Aber auch was die gezielte Förderung von journalistischem Nachwuchs nichtdeutscher Herkunft betrifft, leistet Radio Multikulti wichtige Pionierarbeit für das öffentlich-rechtliche Radio in Deutschland. Andere Rundfunkanstalten als der WDR sind dem Vorbild aus Berlin allerdings bislang nicht gefolgt, obwohl es schon oft Gedankenspiele über ein bundesweites Radio-Netzwerk gab. Vor allem von Fritz Pleitgen ist bekannt, dass ihm sogar die Idee für ein Multikulti-TV vorschwebt.
Schon heute Abend ist Radio Multikulti das erste Mal im Fernsehen zu sehen. Da feiert der Sender seinen 10. Geburtstag auf inzwischen schon traditionelle Weise mit einer großen „Völkerball“-Party im Haus der Kulturen der Welt. Berliner Lokalmatadoren wie die deutsch-nigerianische Afrobeat-Band Rhythm Taxi oder das russische Trio Scho sind dort geladen, sowie als Stargast aus Istanbul die türkische Ska-Band Athena, die in diesem Jahr beim Eurovision Song Contest ihr Land vertrat. Vom lokalen RBB-Fernsehen wird die komplette Geburtstagsfeier live im TV übertragen.
„Gernsehabend“ beim RBB: Live vom „Völkerball“ aus dem Haus der Kulturen der Welt, ab 20.15 Uhr