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Archiv-Artikel

Differenzierte Beschimpfungen

Doktor Alexandre Ntouba ist der erste schwarzafrikanische Referee, der in den hiesigen Oberligen pfeifen darf. Nebenbei betreut er ein Entwicklungshilfeprojekt für Kamerun. Traum ist die Bundesliga

„Vielleicht bin ich ein Talent“, sagt er und hofft, demnächst Regionalliga zu pfeifen

VON ROLAND LEROI

Dr. Alexandre Ntouba strahlt gerne Ruhe und Gelassenheit aus. Als Anästhesist im Klinikum Aachen ist es sein Job, für entspannte, geradezu einschläfernde Verhältnisse zu sorgen. Wenn der Kameruner sein Hobby ausübt, gelingt ihm das nicht immer. Seit neun Jahren ist Ntouba als Fußball-Schiedsrichter aktiv – mit steiler Karriere. Im Schnelldurchlauf stieg der 34-Jährige von der Kreisliga in die Oberliga auf. Er ist der erste schwarzafrikanische Referee, der auf viertklassiger Ebene Spiele leiten darf. „Da geht es manchmal ganz schön hektisch zu, meistens bekomme ich das aber in den Griff“, sagt der Mediziner, dem ein flinkes Umgehen mit Gelben und Roten Karten nachgesagt wird.

Ntouba ahnt, dass er bei seinen Auftritten in Westfalen und am Nordrhein häufig kritisch beäugt wird. „Für viele ist es eben ungewohnt, wenn sie plötzlich einen schwarzen Schiedsrichter sehen“, sagt er. Die stechenden Blicke im Rücken seien für ihn aber ebenso wenig präsent, wie er diverse Beschimpfungen auf seine Hautfarbe bezieht. Seiner Meinung nach müsse man das differenzieren. „Äußerungen wie Schwarze Sau hören auch hellhäutige Schiedsrichter schon seit Urzeiten. Ich nehme das als Unparteiischer auf, nicht als Schwarzer“, sagt Ntouba.

Überhaupt gehe das „hier rein und da wieder raus“, erzählt er glaubhaft. Er müsse sich schließlich auf das Spiel konzentrieren. „Es gibt halt Leute, die schreien, dass ich am Montag keine Sozialhilfe mehr bekomme, wenn ich sonntags nicht besser pfeife. Aber das sind ja nur vereinzelte Reaktionen“, sagt der Mann, der vom Schiedsrichter-Ausschuss des Fußballverbandes Mittelrhein regelmäßig für sein selbstbewusstes Auftreten gelobt wird und im Kreis Düren als Lehrwart Nachwuchs-Referees ausbildet.

Ntouba ist stolz auf diesen Werdegang. Angesprochen hatte ihn 1995 gewissermaßen der frühere DFB-Präsident Egidius Braun. „Er lächelte mich von einem Werbeplakat, mit dem Schiedsrichter gesucht wurden, an. Da habe ich das einfach mal gemacht“, erinnert sich Ntouba, der fünf Jahre zuvor mit einem Medizin-Stipendium in der Tasche aus Kamerun nach Jülich kam. Mit Fußball habe er sich vorher nie ernsthaft beschäftigt „Vielleicht bin ich ein Talent“, glaubt er und hofft, demnächst in der Regionalliga zu pfeifen.

Der Arzt sieht sich dabei weniger als Missionar, sperrt sich aber nicht gegen Nebeneffekte. „Ich mache das aus Spaß, wenn ich aber in höheren Ligen durch die Medienpräsenz mehr ins Rampenlicht rücke, hilft es vielleicht, noch mehr schwarze Schiedsrichter zu bekommen“, sagt Ntouba, der selber über die Doppeldeutigkeit der Formulierung schmunzeln muss. Er tritt am liebsten im gelben Trikot auf.

Für Entwicklungshilfe fühlt sich er sich dennoch zuständig. Vor zwei Jahren rief Ntouba die Aktion „Sportler für Sportler“ ins Leben und sammelt seitdem alle möglichen Requisiten aus dem Schiedsrichter-Wesen, um diese nach Kamerun zu schicken. Trikots, Pfeifen, Karten und Strümpfe nimmt der Mediziner von seinen Kollegen gerne entgegen, um diese über den Fußballverband Kameruns an dortige Unparteiische aus unteren Spielklassen verteilen zu lassen. Erst neulich schickte Ntouba 13 Kartons in seine Heimat. Alles auf eigene Porto-Rechnung. „Geldgeber habe ich keine, dafür beteiligten sich schon ein paar Bundesliga-Schiedsrichter mit Sachspenden“, sagt er.

Zum 17. November, wenn die deutsche Nationalmannschaft in Leipzig ein Spiel gegen Kamerun bestreitet, will er die Aktion bekannter machen. Vielleicht springt dann ja sogar eine Original-Pfeife seines Kollegen Dr. Markus Merk heraus. „Die würde ich auch nach Kamerun schicken“, versichert Ntouba, der in seiner Heimat schon eine beachtliche Popularität genießt. „Einige Zeitungen haben über mich berichtet“, erzählt er stolz. Mittlerweile gebe es sogar Anfragen, ob er nicht in der ersten Liga Kameruns pfeifen wolle: „Wenn es sich zeitlich einrichten lässt“ Viel lieber würde er aber in der Bundesliga arbeiten: „Das ist genauso ein Traum, wie irgendwann mal Länderspiele zu leiten.“ Beschimpfungen gäbe es dann wohl auch. „So ist eben das Los des Schiedsrichters“, sagt Doktor Ntouba ganz gelassen.