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Archiv-Artikel

Entführer wieder frei

Zwei Jahre Bewährung für Bremer Busentführer. Voll schuldfähig, aber reuig. Kein Einfluss durch Moschee. Zeuge droht Verfahren: Falschaussage

Bremen taz ■ Auf freiem Fuß ist seit gestern Nachmittag der Bremer Busentführer Ali T. Wegen Geiselnahme verurteilte das Bremer Jugendschöffengericht den 17-Jährigen zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren, setzte diese allerdings für drei Jahre zur Bewährung aus. Ali T. habe das Urteil „erleichtert“ angenommen, sagte Verteidiger Albert Timmer.

Unter Verweis auf die Schwere der Schuld – auf Geiselnahme steht bei Erwachsenen eine Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren – und weil die Geiseln „noch heute merklich traumatisiert“ seien, hatte Staatsanwalt Uwe Picard zuvor eine Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten gefordert. Ihm sei es zudem darum gegangen, mögliche Nachahmer abzuschrecken, sagte er. Das Jugendstrafrecht sieht eine solche generalpräventive Verurteilung ausdrücklich nicht vor.

Die Verteidigung hatte lediglich eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten gefordert und dies mit einer verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten zum Tatzeitpunkt begründet. Das Gericht folgte dieser Argumentation nicht: Ali T. habe zwar in einer „schwerwiegenden Krise“ gesteckt. Entgegen den Aussagen des psychiatrischen Gutachters sei er aber voll schuldfähig gewesen.

Zu Gunsten des Angeklagten wertete das Gericht dessen „tätige Reue“. So habe er schon während der Entführung mehrere Geiseln freigelassen und sich auch vor Gericht bei allen als Zeugen befragten Geiseln aufrichtig entschuldigt. Während seiner fünfmonatigen Untersuchungshaft, die auf die Strafe angerechnet wird, habe sich Ali T. zudem „sehr viele Gedanken“ über sein Verhalten gemacht.

Einen islamistischen Hintergrund, von dem der damalige Innensenator Kuno Böse (CDU) gesprochen hatte, verneinte das Gericht. Der 17-Jährige habe seine Lebenskrise „im Bereich der religiösen Überzeugung lösen“ wollen und Rat bei einem muslimischen Bekannten gesucht. Dieser sei aber kein Funktionsträger einer Moschee gewesen, die Treffen hätten auch außerhalb des Gotteshauses stattgefunden. „Es gab keinen Anstifter, sondern nur einen Mensch, der Ali T.s Verführbarkeit genutzt hat“, sagte Richter Rolf Steinhilber: „Wir waren alle einmal jung und haben uns mit allen möglichen Ideen befasst.“ Dem Bekannten sei kein strafrechtlicher Vorwurf zu machen.

Steinhilber beschrieb Ali T. als „intelligent“, „nachdenklich“, „vernünftig“ und „aus einer völlig intakten Familie“ stammend. Jetzt gehe es darum, ihm „seinen Lebensweg wieder zu öffnen“. Vor allen Dingen müsse er seine schulische und berufliche Ausbildung erfolgreich zu Ende führen. Dabei soll ihm ein Bewährungshelfer zur Seite stehen.

Ein Nachspiel könnte das Verfahren noch für eine der Geiseln haben. Der 44-Jährige soll nach übereinstimmenden Aussagen anderer Geiseln Ali T. aufgefordert haben, einen Schuss aus seiner Schreckschusspistole aus dem Bus heraus abzugeben, hatte das bei seiner Vernehmung aber bestritten. Sein Verhalten im Bus sei zwar durch Stress entschuldbar. Eine Anklage droht dem Mann dennoch – wegen Falschaussage. Armin Simon