: Streit um Rechte der Regulierungsbehörde
Sollen Strompreiserhöhungen künftig genehmigungspflichtig sein oder erst nachträglich kontrolliert werden?
BERLIN taz ■ Die EU-Kommission hat Deutschland verpflichtet, eine Regulierungsbehörde für den Energiemarkt einzurichten. Bisher wurde der Wettbewerb hierzulande durch so genannte Selbstverpflichtungen geregelt. Besonders gut funktionierte das nicht: Strom ist heute 8 Prozent teurer als vor der Liberalisierung des Energiemarktes, Erdgas über 55, Heizöl sogar über 70 Prozent.
Starteten Mitte der 90er-Jahre fast 100 neue Stromhändler, sind heute gerade mal noch ein Dutzend am Markt. „Die Macht der ehemaligen Monopolisten, die heute in den vier großen Stromkonzernen RWE, Eon, Vattenfall und EnBW zusammengeschlossen sind, ist nach wie vor ungebrochen“, sagt Gero Lücking, Sprecher des Stromhändlers Lichtblick – mit etwa 140.000 Kunden einer der wenigen Überlebenden.
Das wird nun alles anders: Im Ende Juli vom Kabinett verabschiedeten Energiewirtschaftsgesetz ist eine Regulierungsbehörde festgeschrieben, die ab 1. Januar für Fairness auf dem Energiemarkt sorgen soll. Angesiedelt wird der Schiedsrichter in Bonn, bei der bestehenden Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP). In erster Linie wird er die Bedingungen für die Durchleitung von Strom und Gas durch die Netze der vier Großen regeln.
„Die neue Behörde wird keinen direkten Einfluss auf die Verbraucherpreise ausüben können“, erklärt Matthias Kurth, der designierte Oberschiedsrichter auf dem Energiefeld. Sein Job werde sein, den Missbrauch von Nutzungsentgelten aufzudecken. Übersetzt heißt das: Die Tabellenführer dürfen weiter foulen, die gelbe Karte bekommen sie erst danach gezeigt.
Dass das auch anders geht, weiß Kurth selbst am besten. Er ist nämlich auch Chef der Telekom-Regulierungsbehörde. Dort läuft das so: Der Spielzug muss zuerst am grünen Tisch auf Fairness überprüft werden. Wer etwa seine Telefonpreise erhöhen will, muss sich das zuerst von der Behörde genehmigen lassen.
Das Prinzip nennt sich Ex-ante-Regulierung. Umweltminister Jürgen Trittin und sein Wirtschaftskollege Wolfgang Clement haben sich bei der Formulierung des Energiewirtschaftsgesetzes aber auf eine nachträgliche Preiskontrolle geeinigt – die so genannte Ex-post-Regulierung. Sie begründen das mit der Menge an Marktteilnehmern. Stadtwerke, Regionalversorger, Gaslieferanten plus die Tochterunternehmen der vier Großen: Mit bis zu 1.600 Unternehmen wird die Energieregulierungsbehörde wesentlich mehr Spieler begutachten müssen als etwa auf dem Telekom-Markt.
Ex-ante – Ex-post: Mittlerweile haben sich seltsame Konstellationen gebildet. In der Mannschaft der Vorab-Genehmiger spielen die CDU zusammen mit Verbraucherschützern und dem Stromkonzern EnBW. Teile der Grünen und der SPD sitzen auf der Einwechselbank. Beim Gegner spielt Clement mit Eon, der Industrie- und Handelskammer (IHK) und Trittin. „Die bisherige Praxis reicht völlig aus. Das kann man an der positiven Entwicklung des Wettbewerbs absehen“, sagt Alexander Land, Sprecher von Eon-Energie. Mitnichten, sagt Gegenspieler EnBW in einem gestern in Karlsruhe vorgelegten eigenen Regulierungsmodell. „Eine Vorabgenehmigung kann zu enormen bürokratischen Verzögerungen führen“, sagt Dieter Kreikenbaum, Energiefachmann bei der IHK.
„Die Frage ist doch, wie man das, was praktikabel ist, auch praktikabel installiert“, kontert der SPD-Energiepolitiker Hermann Scheer. „Wenn Rot-Grün unseren Vorschlägen folgt, wären übersteigerte Monopolgewinne der großen Konzerne ausgeschlossen“, erklärt Hessens CDU-Wirtschaftsminister Alois Rhiel.
Wer in diesem Spiel gerade im Vorteil ist, ist unklar. Fest steht, dass am 24. Oktober Halbzeit ist. Dann wird der Bundesrat seine Änderungsvorschläge vorstellen. Die zweite Halbzeit beginnt danach im Bundestag. Wahrscheinlich ist, dass es Verlängerung geben wird: im Vermittlungsausschuss. Dann jedenfalls kann die Behörde nicht am 1. Januar starten. NICK REIMER