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Archiv-Artikel

Laden! Schluss! Aus! Ende! Sense!

Was kommt nach der plötzlich wieder aufflackernden Debatte um die Geschäftsöffnungszeiten: Konsumzwang?

Eher mangelt es an der Attraktivität des Angebots in den Läden

Ein offener Hosenladen ist eine peinliche Sache. Zumal in vornehmer Gesellschaft und der Anwesenheit von Damen, wie einmal der Satiriker Bernd Eilert berichtete. Da ließ bei einer gut besuchten Billardpartie in einem rundum verspiegelten Saal einer der queueführenden Herren tiefer blicken als es sich schickt. Die Zuschauer gewahrten peinlich berührt sein offenhosiges, dank den Spiegeln zudem allseits sichtbares, feinrippiges Malheur, aber niemand hatte den Schneid, den Betroffenen zu warnen. Endlich gab jemand dem Ladenbesitzer einen unauffälligen Wink oder aber er bemerkte selbst sein Dérangement. Jedenfalls stutzte er plötzlich, trat an einen der Spiegel und teilte nach einem flüchtigen Blick auf seine Uhr den übrigen Herrschaften mit: „Ach herrje. Dabei haben wir doch längst geschlossen.“ Sprach’s – und zog sich ohne weitere Umschweife den Hosenladen zu.

Gut möglich, dass solch gewitzte Replik hierzulande schon in naher Zukunft nicht mehr verstanden wird. Vieles nämlich deutet darauf hin, dass es eine Ladenschlusszeit in Deutschland schon bald nicht mehr gibt und folglich die Redewendung „Wir haben geschlossen“ aus dem kollektiven Sprachschatz verschwindet. „Durchgehend geöffnet“ heißt nämlich jetzt die angeblich einzig wahre Devise und das neueste Rezept, mit dem die einschlägigen Abgreifer die immer wirtschaftslähmendere Konsumverweigerung hierzulande zu stoppen hoffen. Shoppen rund um die Uhr. Oder um im Bild des Hosenladens zu bleiben: Deutschland seiner soll jetzt ständig offen stehen. Wie peinlich.

Dieser, der Wirtschaftsweisen letzter Schluss dürfte sich allerdings bloß als weiterer Trugschluss bzw. erneuter Schlag ins insolvenzbedrohte Kontor erweisen. Schließlich sind es nicht die Ladenöffnungszeiten, die zu knapp bemessen sind. Eher mangelt es doch wohl an der Attraktivität des Angebots und noch mehr an den ausreichend flüssigen Mitteln, irgendwelchen Kram zu erwerben. Oder sagen wir so: Wenn sich immer mehr Leute schon zu den bisherigen Öffnungszeiten immer weniger leisten wollen oder können, nutzt es dem Aufschwung herzlich wenig, wenn sie das künftig rund um die Uhr nicht können.

Durch die jetzt wieder eröffnete Ladenöffnungsoffensive offen zutage tritt allenfalls die zunehmende Verzweiflung, die die Wachstumsgläubischen hierzulande ganz offenkundig befallen hat. Was schieben sie als nächstes nach? Die Einbeziehung der bislang noch schamhaft vom Einkaufsterror ausgenommenen Sonn- und Feiertage? Die Verlängerung der Woche um zwei, drei zusätzliche Schnäppchentage? Man muss inzwischen mit allem rechnen. Auch die allgemeine Mobilmachung scheint nicht mehr abwegig. Erst in seiner letzten Silvesteransprache hatte Bundeskanzler Gerhard Schröder noch an die freiwillige Bereitschaft aller Deutschen appelliert, sich durch verstärkten Konsum des feilgebotenen Plunders als Konjunkturmotoren zu betätigen. Demnächst wird er den Konsumzwang ausrufen. Anders kann er kaum darauf hoffen, dass wieder mehr eingekauft wird als lediglich die zusätzlichen Gürtellöcher, die die Deutschen allerdings dringend brauchen, da sie sich auch bei verlängerten Ladenzeiten noch enger werden gürten müssen.

FRITZ TIETZ