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Archiv-Artikel

Neue Invasion vor Rückzug aus Gaza

Nördlicher Gaza-Streifen erneut von israelischen Truppen besetzt. Täglich wird israelische Kleinstadt Sderot beschossen

JERUSALEM taz ■ Der palästinensische Gaza-Streifen wird erneut zum Schauplatz von Auseinandersetzungen zwischen Palästinensern und Israelis. Am Donnerstag haben Palästinenser im nördlichen Gaza-Streifen eine israelische Joggerin und einen Soldaten getötet. In der Nacht zum Donnerstag waren israelische Truppen zum zwölften Mal innerhalb von drei Monaten in Beit Chanun im nördlichen Gaza-Streifen einmarschiert. Dabei wurde ein Palästinenser getötet und mindestens 27 verletzt. Die jüngste Operation, die diesmal auch das Flüchtlingslager Dschabalia umfasst, war eine Reaktion auf einen palästinensischen Raketenangriff, bei dem am Mittwochabend in der israelischen Kleinstadt Sderot zwei Kleinkinder getötet und 30 weitere Israelis verletzt wurden. Hörfunkberichten zufolge hat Regierungschef Ariel Scharon nun die Errichtung einer Pufferzone beschlossen, der israelische Verteidigungsminister Schaul Mofas will eine große Offensive im Gaza-Streifen starten.

Seit Wochen wird Sderot täglich mit Kassam-Raketen beschossen, die zum Großteil aus Beit Chanun abgefeuert werden. Für die Bürger der Kleinstadt ist das Leben zum russischen Roulette geworden. Immer mehr erwägen inzwischen, wegzuziehen. Wenn eine europäische Stadt mit einer derartigen Bedrohung leben müsste, wäre „Beit Chanun längst dem Erdboden gleichgemacht worden“, kommentierte Eli Muyal, Bürgermeister Sderots. Azriel Lorber, Experte für Kurzstreckenraketen, geht davon aus, dass es „nur eine Frage der Zeit ist“, bis die Kassam-Raketen technisch verbessert und damit noch gefährlicher werden. Der andauernde Raketenbeschuss aus dem Gaza-Streifen erschwert es Scharon, seinen Abzugsplan voranzutreiben. Zwar betont das Büro des Premierministers immer wieder, dass zwischen den Raketen und dem Abzug kein Zusammenhang bestehe. Damit, so die liberale Ha’aretz, „wird die politische Realität ignoriert“. Wenn nach dem israelischen Abzug weiterhin Raketen aus Gaza abgeschossen werden, werden neuerliche israelische Invasionen wohl unausweichlich.

Auch im palästinensischen Parlament gehören die Kassam-Raketen zu den regelmäßig debattierten Themen. Die Abgeordneten haben schon vor Wochen beschlossen, dass die Raketenangriffe eingestellt werden sollten, vor allem da ihre beschränkte Schlagkraft nicht in Proportion zu den israelischen Gegenmaßnahmen stehe. Bislang zeigt die politische Entscheidung indes keine Wirkung. SUSANNE KNAUL