: Erfolg für US-Abtreibungsgegner
Erstmals seit 30 Jahren billigt der US-Kongress ein Gesetz zur Verschärfung der Abtreibungsbestimmungen. Zwar geht es konkret nur um eine selten angewandte Methode – doch Kritiker sehen damit eine konservative Trendwende eingeläutet
aus Washington MICHAEL STRECK
Der US-Kongress hat am Dienstag nach jahrelangem erbittertem Streit ein Bundesgesetz zum Verbot von späten Schwangerschaftsabbrüchen verabschiedet. Präsident George W. Bush selbst hatte für diesen Schritt plädiert. Das Gesetz wurde am Dienstag vom Senat gebilligt, nachdem das Abgeordnetenhaus bereits vor drei Wochen zugestimmt hatte. Beide Häuser des Parlaments werden von den Republikanern beherrscht. Bush gratulierte seinen Parteifreunden aus dem fernen Asien zu dem Erfolg. Das Gesetz werde einer „abscheulichen Praxis“ ein Ende setzen und den USA „eine Kultur des Lebens zurückgeben“, verkündete er.
Mit dem Verbot der umstrittenen Abtreibungsmethode hat der US-Kongress die erste Verschärfung des Abtreibungsrechts der USA seit 30 Jahren beschlossen. Das Gesetz sieht das Verbot eines Verfahrens vor, bei dem der Fötus außerhalb des Mutterleibs getötet wird. Dieser Eingriff wird meist im fünften oder sechsten Schwangerschaftsmonat vorgenommen, wenn Ärzte es für medizinisch notwendig erachten.
Der Abstimmung im Senat war eine erregte Debatte vorausgegangen, denn kaum ein Thema polarisiert die USA so sehr wie der Umgang mit dem „Recht auf Abtreibung“, so die Haltung der Befürworter, und dem „Recht auf Leben“, das Motto der Gegner. Der republikanische Fraktionschef im Senat, Bill Frist, sagte, das neue Gesetz werde Leben retten. „Wir haben endlich ein Verfahren verboten, das barbarisch, brutal und ein Angriff auf unser moralisches Gespür ist.“ Die Demokratin Dianne Feinstein sagte, der Kongress habe nunmehr einen „ersten Schritt zur Rekriminalisierung von Abtreibungen“ gemacht. Da die späte Methode äußerst selten angewendet wird, sehen Kritiker in dem Verbot einen Versuch, das Recht auf Abtreibung auszuhöhlen.
Nachdem der Oberste Gerichtshof der USA 1973 Schwangerschaftsabbrüche grundsätzlich erlaubt hatte, stimmte der republikanisch dominierte Kongress seit 1995 zweimal für schärfere Abtreibungsbestimmungen, die nur durch das Veto von Präsident Bill Clinton verhindert wurden. Bush Junior hat noch von seinem Asien-Trip verlauten lassen, dass er gleich nach seiner Rückkehr die neue Bestimmung unterzeichen werde. Rechtsexperten bezweifeln allerdings, ob das nun verabschiedete Gesetz Bestand haben wird. Vor drei Jahren wies der Oberste Gerichtshof in Washington ein ähnliches Gesetz des Bundesstaates Nebraska als verfassungswidrig zurück. Mehrere Frauen- und Bürgerrechtsorganisationen haben bereits angekündigt, gegen die neue Entscheidung zu klagen.
Die Befürworter machen jedoch eine andere Rechnung auf. Im Obersten Gerichtshof werden in absehbarer Zeit Richterposten neu besetzt. Die Berufung obliegt dem Präsidenten. Sollte Bush im November 2004 erneut ins Weiße Haus einziehen, hat er die Möglichkeit, konservative Richter zu benennen. Damit könnte die knappe Mehrheit von fünf zu vier Stimmen im Nebraska-Urteil gekippt werden.