Protest auf ganz breiten Reifen

Jetzt „informiert“ sich auch die IG Metall: Am Wochenende ist aus den wilden Aktionen am Bochumer Opel-Standort ein organisierter Arbeitskampf geworden – nur heißen muss er anders

AUS BOCHUMCHRISTOPH SCHURIAN

Rolf Plumhoff-Klein arbeitet in Zwölf-Stunden-Schichten. Er und seine Kollegen hätten sich aufgeteilt auf die Tore, sagt der Opel-Betriebsrat – jeder habe hier seine Aufgaben. Also steht Plumhoff-Klein in Fleece-Jacke und neongelber IG Metall-Weste an der Schranke vor Tor Eins, empfängt Besucher, Solidaritätsadressen und die Spenden von Kindergruppen, Bürgern, Montagsdemonstranten aus Hannover oder der Wahlalternative. „Ich habe so etwas noch nicht erlebt“, freut er sich. Und: Hier werde jetzt ein „politischer Kampf“ geführt. Begann der Ausstand der Belegschaft noch weitgehend ohne die Gewerkschaft, stehen die Metaller nun an der Spitze des Widerstands gegen die Kahlschlagspläne bei Opel.

Mutterkonzern General Motors plant in Europa 12.000 Stellen zu streichen; allein am Standort Bochum sind über 4.000 in Gefahr. Die Lohnkosten seien zu hoch, sagt der Weltkonzern – der Betriebsrat glaubt das nicht: „Vor drei Wochen haben sie uns noch gelobt für die hervorragende Einführungsphase des neuen Astra-Modells“ – und jetzt solle alles plötzlich anders sein? Opel-Bochum sei nicht schlechter als die anderen Werke, dafür sorge schon der Konzern mit seinem „General Motors Global Manufactoring System“, glaubt Plumhoff-Klein.

Die internationale Produktionskette ist auch die Hoffnung der Bochumer Belegschaft – mit ihren Aktionen, die immer noch den Titel „Informationsveranstaltung“ tragen, wollen sie stören, wollen erst Antwerpen, dann alle europäischen Fabriken zum Stillstand zwingen. Die Konzernführung soll mit ihnen verhandeln, die Abbruchpläne sollen vom Tisch: „Die Mitarbeiter werden weiter von ihrem Informationsrecht Gebrauch machen“, sagt Plumhoff-Klein, man führe nur aus, was die Mitarbeiter beschlossen haben. Mit dem VfL Bochum werde es weitere Aktionen geben, am Dienstag beteiligen sich die Bochumer Opelaner am europaweiten Aktionstag gegen General Motors – dann kommt der Protest auf die Straßen des Ruhrgebiets.

Hinter der Schranke steht eine IG Metall-Bühne. Jede Stunde drücken sich einige Aktivisten auf das Podium, verlesen Grüße, machen sich Mut. „Es heißt ja, wir legen uns mit dem mächtigsten Konzern der Welt an“ ruft einer von Opel-Werk II – „aber wir wissen um die Kraft, den Mut, die Solidarität der Bochumer Bevölkerung, das ist unser Klein-Gallien!“

Mehrere hundert Menschen sind vor das Werk gekommen, klatschen, reden, rauchen. Warten vergeblich auf Neuigkeiten: Nein, der Konzern habe offiziell noch keinen Sanierungs-Verhandlungen zugestimmt, aber morgen tagt der Gesamtbetriebsrat in Rüsselsheim. Nein, der neue Bochumer Werksleiter Martin Apfel hat sich auch seit drei Tagen immer noch nicht bei der Belegschaft gezeigt – er kam erst Ende August aus dem Opel-Werk in Eisenach: „Auch ihn haben die Entwicklungen wohl überrollt“, meint Plumhoff-Klein.

Warum die Gewerkschafter in Rüsselsheim nicht auch ihre Arbeit ruhen lassen? „Die erhoffen sich vielleicht einen Vorteil“, meint der Betriebsrat. Ihnen sei es bitter ernst mit ihrem Protest. Das Werk sei in Gefahr. Wenn die Arbeitsstelle wegfalle, dann treffe die Kollegen das Hartz IV-Paket: „Ob wir jetzt oder in zwei Jahren unser Haus verkaufen müssen, das ist doch dann auch egal!“