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Archiv-Artikel

Polizei verteidigt Kalker Kessel

Stundenlang hat die Polizei am Samstag hunderte Kölner eingekesselt, die in Kalk gegen den Nazi-Aufmarsch protestierten. „Unverhältnismäßig“, finden Grüne und der Veranstalter der Gegendemo

VON PASCAL BEUCKER

Scharf kritisiert haben die Kölner Grünen den Polizeieinsatz während des Naziaufmarsches am Samstag im Kölner Stadtteil Kalk. Die stundenlange Einkesselung von hunderten von Gegendemonstranten sei „absolut unverhältnismäßig“ gewesen.

„Es ist ungerechtfertigt, dass friedliche Demonstranten nicht auf Wunsch die Veranstaltung verlassen dürfen, sondern mit eventuell gewaltbereiten in einen Topf geworfen werden“, kritisierten Kreissprecher Jörg Penner und Angela Behring, grüne Fraktionsvorsitzende in der Bezirksvertretung Kalk, in einer gemeinsamen Erklärung. Sie verurteilten „nachdrücklich das antidemokratische Verhalten der Polizei“.

Auch der Anmelder der Gegendemonstration, „gemeinsam gegen sozialraub“-Ratsmitglied Claus Ludwig, kritisierte den Einsatz „aufs Schärfste“. Mehrfach seien Polizeitrupps in die Gruppe der Eingekesselten hinein gestürmt. „Dabei wurden Schlagstöcke eingesetzt, mehrere Menschen wurden verletzt“, so Ludwig: „Auf mich machen diese Aktionen den Eindruck, dass die Polizei versuchte, Meldungen über ,Ausschreitungen‘ zu provozieren und so nachträglich die Rechtfertigung für den massiven Einsatz selbst zu liefern.“

Demonstrationsverbot

Mit einem Großaufgebot von 1.600 Beamten hatte die Polizei am Samstag versucht, eine unmittelbare Konfrontation zwischen den 142 nach Kalk gekommenen Nazis und den etwa 1.500 Gegendemonstranten zu verhindern. Zu der Einkesselung auf der Rolshover Straße zwischen Kalker Hauptstraße und Sieversstraße war es gekommen, nachdem knapp 500 Gegendemonstranten versucht hatten, zu der rechtsextremen Auftaktkundgebung an der Kalker Post vorzudringen und die Demonstrationsroute der Nazis zu blockieren. Daraufhin leitete die Polizei zum einen den Nazi-Marsch kurzfristig auf die Vietorstraße um. Zum anderen schloss sie die antifaschistischen Demonstranten ein. Bis zu vier Stunden, eine Zeit davon im strömenden Regen, mussten diese in dem Kessel verbringen. Die letzten konnten erst gegen 17 Uhr und nachdem die Nazis bereits wieder aus Kalk abgereist waren, den Ort verlassen. Von etwa 400 der Demonstranten wurden die Personalien festgestellt.

Gegenüber der taz wies Polizeisprecher Wolfgang Beus die Vorwürfe von Grünen und Ludwig zurück und rechtfertigte den Einsatz: „Es gab ein Demonstrationsverbot für diesen Bereich.“ Dies sei von den Protestierenden ignoriert worden. Zudem seien aus der Gruppe der Eingeschlossenen heraus mehrfach Straftaten begangen worden. So seien beispielsweise etliche Flaschen geworfen worden. „Es gibt einen Strafverfolgungsanspruch“, so Beus.

Der Grund für die lange Dauer der „Einschließung“ sei gewesen, dass es schwierig sei, aus einer so großen Gruppe den darin befindlichen kleinen Kreis der Straftäter herauszufiltern. Gleichzeitig habe es sich jedoch auch um eine „Abwehrmaßnahme“ gehandelt, um zu verhindern, dass die Demonstranten erneut versuchen, zu dem Nazi-Aufmarsch durchzudringen.

Laut Beus konnten bereits um 15.20 Uhr 220 Leute den Kessel mit einem Platzverweis verlassen. Gegen 16 Uhr seien nur noch etwa 120 Menschen eingeschlossen gewesen. Die Personalienfeststellung sei erfolgt, um die verhängten Platzverweise auch durchsetzen zu können. Dass zahlreiche Demonstranten zudem noch fotografiert wurden, begründete Beus damit, dies sei „nur in Verdachtsmomenten“ erfolgt und habe dem Abgleich mit den polizeilichen Videoaufnahmen gedient. Die Daten der Überprüften würden, soweit sie sich keiner Straftat schuldig gemacht hätten, umgehend wieder vernichtet. Die Betroffenen hätten keine weiteren Rechtsfolgen zu befürchten.

Landfriedensbruch

Insgesamt habe es am Samstag in Kalk 24 Festnahmen gegeben, so Beus. Gegen die Festgenommenen – unter ihnen ein Nazi, bei dem ein Springmesser gefunden wurde – seien Strafanzeigen wegen des Verdacht des Landfriedensbruchs, Verstößen gegen das Versammlungsgesetz oder Körperverletzungsdelikten erstattet worden. Außerdem seien vier Personen kurzzeitig in Gewahrsam genommen worden.