: Der Exot zeigt keine Angst
Schwelm ist die flächenkleinste Kommune in NRW. In der Basketball-Bundesliga dürfen die heimischen Union Baskets ab heute dennoch mitspielen. Mehr noch: Der Aufsteiger will mittelfristig den Sprung in die Europaliga schaffen
SCHWELM taz ■ Torsten Daume strotzt vor Selbstbewusstsein, den Anschein des Underdogs möchte er jedenfalls nicht erwecken. Nach den Zielen für die anstehende Saison in der Basketball-Bundesliga (BBL) gefragt, sagt er nur: „Die Play-offs.“ Daume ist Trainer bei Aufsteiger Union Baskets Schwelm. Und den haben viele Experten auf ihrer Liste der heißesten Abstiegskandidaten ganz oben. Die Mannschaft aus der Stadt zwischen Wuppertal und Hagen gilt als BBL-Exot, schließlich ist Schwelm die flächenkleinste Kommune in NRW. Viele Arbeiten bei den Baskets werden ehrenamtlich erledigt, im Kader gibt es Akteure, die schon in der Jugend des Stammvereins gespielt haben.
Regelmäßige Trainingsmöglichkeiten? Fehlanzeige. Stattdessen tingelt die Mannschaft durch verschiedene Kleinstädte im Ennepe-Ruhr-Kreis auf der Suche nach freien Trainingsstätten. „In diesen kleinen Hallen ist oft nicht mal geheizt, die Duschen haben nur Kaltwasser und Parkettboden gibt es auch nicht“, schimpft ein Baskets-Spieler. Wegen mangelnder Hallenkapazitäten in der Heimatstadt muss in der Liga ohnehin im benachbarten Wuppertal gespielt werden. Einmal ist deswegen der Aufstieg schon gescheitert. Denn vor einem Jahr wären die Baskets sportlich bereits reif für die BBL gewesen, doch die Zentrale in Köln verweigerte die Lizenz. „Der Verein war einfach zu klein“, mutmaßen Experten.
Nun ist mit dem Aufstieg Bewegung ins Umfeld der Baskets gekommen. Ein Pressesprecher wurde engagiert, eine eigene Cheerleader-Gruppe aufgebaut, der Name Schwelmer Baskets in Union Baskets geändert, damit Hauptsponsor Poschmann Union – ein Mittelständler aus dem Märkischen – besser zur Geltung kommt. „Und um mehr Zuschauer zu locken“, wie Sprecher Björn Wechsel erklärt. „Für einen Verein mit Schwelm im Namen interessiert sich doch keiner.“
Die Bindung an die Heimatstadt soll trotzdem erhalten bleiben. Dafür steht auch der Kader. Zwei gebürtige Schwelmer sind unter den Spielern. Die Fans achten darauf, dass ihre Lieblinge zwischen all den Sport-Söldnern nicht untergehen. Als eine Regionalzeitung in der Sommerpause die Zukunft der beiden im Erstliga-Team in Frage stellte, war der Aufschrei groß.
Überhaupt ist die Mannschaft eine Ausnahme in der BBL. Die Schwelmer haben das einzige Team ohne schwarzen Spieler. Ihr bisheriger Top-Star Antwine Williams ist in der Sommerpause in Richtung Italien abgewandert. Nachfolger für den Aufbauspieler soll der US-Amerikaner Ryan Bond werden. „Der Ryan ist vom Typ her ein anderer Spieler als Antwine“, wiegelt Torsten Daume indes erst mal ab. Bond, zuletzt im Kosovo aktiv, ist in Deutschland bisher ein unbeschriebenes Blatt.
Genauso wie der zweite US-Import: Kyle Bankhead. Der 24-jährige Aufbauspieler hat zuletzt drei Jahre in der amerikanischen College League gespielt. Der Dritte im Bunde der Neuzugänge ist kaum bekannter: der litauische Flügel Vilius Gabsys. Bleibt Kapitän Bruno Roschnafski – der sammelte mit Bamberg, Trier und Weißenfels bereits fünf Jahre BBL-Erfahrung. Ob das reicht?
Verbale Hilfestellung gibt es von einem, der es wissen müsste. Artland-Dragon-Trainer Chris Fleming kennt sich aus mit der Rolle des Davids unter vielen Goliaths. Schließlich war das in der vergangenen Saison sein Team – und kam dennoch mit dem neunten Platz fast in die Play-offs. „Das schafft Schwelm auch“, glaubt Fleming. „Die Größe des Vereins hat mit dem sportlichen Erfolg nichts zu tun.“
In den bisherigen Vorbereitungsspielen hat sich das eher verhalten herauskristallisiert. Gegen Zweitligist Phoenix Hagen gab es zwar eine Niederlage. Gegen andere, zum Teil hochklassige Gegner aus den Niederlanden und Polen gewann das Daume-Team. Gegen den Liga-Rivalen aus Leverkusen gab es eine knappe Niederlage. Allerdings setzte es auch eine Pleite gegen Chris Flemings Artland Dragons. 30 Punkte lagen da am Ende zwischen den Niedersachsen und den Westfalen. „Das waren bei uns noch Relikte aus der letztjährigen Zweitliga-Dominanz. Die Spieler haben gedacht, sie könnten jetzt locker weiterspielen“, beruhigt Torsten Daume die Fans.
Die vertrauen dem Coach, der „ihre“ Mannschaft in fünf Jahren von der Regionalliga in die BBL führte, ohnehin und konzentrieren sich auf Sonntag. Dann findet gegen Trier das erste BBL-Heimspiel in der Geschichte der Baskets statt, zuvor gibt es heute in Köln die Bundesliga-Premiere. Torsten Daume – er machte erst Anfang des Jahres die nötige Trainerlizenz – ist mit seinen 33 Jahren der Newcomer unter den BBL-Coaches und sehr ehrgeizig. „Nur nicht absteigen, das kann es nicht sein“, sagt er. Auch Kapitän Bruno Roschnafski meint: „Wir brauchen uns vor der Ersten Liga nicht zu erschrecken.“ Sein Trainer geht sogar noch weiter: „Wir wollen mittelfristig in die Europaliga.“ SVEN PRANGE