: Potemkin für die Umwelt
Das größte Potenzial für den Klimaschutz liegt im Sparen von Heizungswärme. So mancheFassaden-Dämmung treibt Ästheten zur Verzweiflung, doch Alternativen sind kostspielig
von GERNOT KNÖDLER
Wer eine der Backstein-Fassaden isolieren möchte, die Hamburg sein Gesicht geben, hat es nicht leicht. Backstein-Strukturtapete auf Styropor ist eine unbefriedigende Lösung, die auch der größte Handwerksfleiß nicht schöner macht. Die Alternativen zur Fassaden-Dämmung sind mit Schwierigkeiten und Mehrkosten verbunden. Unter Architekten gibt es daher Streit darüber, ob der Denkmal- oder der Wärmeschutz Vorrang genießen soll.
Nach Angaben der Deutschen Energie-Agentur verschlingt die Heizung 53 Prozent des Energieverbrauchs der Privathaushalte. Selbst das Auto kommt nur auf 31 Prozent, Warmwasserbereitung und elektrische Geräte auf je acht Prozent. Beim Heizen bietet sich ein riesiges Sparpotenzial, zumal in Hamburg, wo 85 Prozent der Wohnhäuser vor der Wärmeschutzverordnung von 1978 gebaut wurden. Hier könnten die Heizkosten um mehr als die Hälfte gesenkt werden.
Als zentraler Bestandteil einer solchen Investition galt bisher eine Dämmung der Fassade außen. Im Kleinen Friedrich-Ebert-Hof in Ottensen sah die so aus: Eine Isolierschicht, darauf grauer Putz, auf dem Längsstreifen abgeklebt wurden, bevor eine ziegelrote Farbe aufgetragen wurde. Der gute Wille, das alte Ziegelraster zu imitieren, zeigte sich vollends, als ein Arbeiter anrückte, um die fehlenden senkrechten Fugen aufzupinseln.
Eine gute technische Lösung steht noch aus
„Es gibt grässliche Beispiele, da stimme ich ihnen zu“, räumt selbst Matthias Sandrock ein, der bei der Umweltbehörde die Initiative Arbeit und Klimaschutz koordiniert. Die vergibt alle zwei Jahre einen Architekturpreis, doch der brachte nicht die erhofften Ergebnisse. „Wir warten noch auf eine richtig gute Lösung für die Hamburger Klinker“, sagt Sandrock.
Der Züricher Architekt Andreas Galli (Galli&Rudolf) hat versucht, das Problem mit einer Isolierung der Innenwand zu lösen, was eine Reihe von Problemen mit sich bringt: Die Bewohner müssen während des Umbaus ausziehen und die Wohnfläche wird kleiner. Bei scharf kalkulierten Objekten könnten zehn Zentimeter weniger an jeder Außenwand ein Hinderungsgrund sein.
Thomas Dittert vom Hamburger Büro Dittert&Reumschüssel führt zudem physikalische Schwierigkeiten an: Wo Wände und Decken durch die Isolierung hindurch an die Außenwand stoßen, dringe Kälte ein. Hier kondensiert die Raumfeuchtigkeit, es schimmelt. Eine Isolierung dieser Stellen trage auf. Nicht jeder möchte sich mit dick ausgekleideten Ecken abfinden.
Um dem Schimmel beizukommen, installierten Galli&Rudolf eine kontrollierte Lüftung, wie man sie aus Passivhäusern kennt. Ventilatoren saugen Luft von draußen an und verteilen sie in den Räumen. Dabei wird die kalte Luft über einen Wärmetauscher von der abfließenden Raumluft geheizt. Auch regelmäßiges Lüften würde den Schimmel verhindern, die Erfahrung lehrte die Architekten jedoch, dass sie darauf nicht bauen dürfen. „Das Lüftungsverhalten von Mietern kann man nicht regulieren“, sagt Galli. Sein Kollege Dittert fürchtet zudem, dass bei einer Innenisolierung die Feuchtigkeit in der ausgesetzten Wand gefriert. Dadurch entstehen Spannungen in der Wand, die zu Rissen führen können.
Debatte über Denkmal- versus Wärmeschutz
Wegen der hohen Kosten einer Innen-Dämmung plädiert Dittert dafür, den Wärmeschutz aktiv anzugehen: „Es muss eine sehr viel deftigere Auseinandersetzung über den Wert und Unwert von Sichtmauerwerk-Fassaden geführt werden.“ Gegebenenfalls müssten Fassaden eben neu gestaltet werden, auch wenn das den Denkmalpflegern gegen den Strich gehe. Dittert: „Es kann nicht sein, dass wenige bestimmen, was zu erhalten ist.“
Der Beobachter darf sich auf eine temperamentvolle Gestaltungsdiskussion freuen. Denn an den ästhetischen Standards von Fassadensanierungen scheiden sich die Geister. Günther Wilkens vom Hamburger Büro APB zum Beispiel mokierte sich bei einer Veranstaltung des Architektur-Centrums unlängst über die „Vernorderstedtisierung“ der sanierten Wohnhäuser in der Washingtonallee: vor die Fassaden gestellte Balkone, unten Plastik-Ziegel, oben Putz. Andere, so war zu hören, fanden‘s gar nicht schlecht.
Dass eine Außendämmung stets billiger kommt, ist ebenfalls umstritten. „Wir haben das im eigenen Büro mal gerechnet“, sagt der Züricher Architekt Martin Schneider. Zu seiner Überraschung habe sich eine Außendämmung über 80 Jahre gerechnet nicht als günstiger erwiesen. Diese müsse in kurzen Abständen neu gestrichen werden und alle 20 Jahre grundlegend überholt werden. Der Erfahrungsschatz zu diesem Thema ist allerdings noch klein.