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Archiv-Artikel

Der beste Teil von Kreuzberg

Gastro-Update (1): Das Schnitzel im Austria in der Bergmannstraße bleibt ganz groß

Es ist der beste Teil von Kreuzberg, in dem dieses Restaurant seit langem beheimatet ist, nämlich der Marheinekeplatz. Wo im Übrigen die Mieten deshalb Wilmersdorfer Niveau erreicht haben, weil Zuzügler aus dem Westen es gern urig und szenig in einem haben.

Man geht dort gern essen, ganz besonders gern ins Austria, garantiert Pommes-frites-frei, außerdem, man muss es erwähnen, Pasta-frei. Man speist österreichisch, also die katholische Variante jenes Tafelns, das als deutsch bezeichnet werden muss. Viel Fleisch, Mehliges, Knödeliges, Deftiges, Sattmachendes, Leckeres. Alles ist darauf angelegt, dass am Ende eines Abends ein oder mehrere Obstler getrunken werden – oder ein Marillenschnaps.

Das Interieur ist von außergewöhnlicher Gemütlichkeit. Keine Anflüge von Bauhausigem, nichts von Kühlem oder Kargem. Alles wirkt bei Geschäftsöffnung tipptopp geputzt, dennoch atmet jedes Stückchen Wand den Charme von Geselligkeit.

Das Essen ist fein und verdient Lob. Die Karte bietet, wie erwähnt, Erwartbares und Erhofftes. Tafelspitz, Gulasch, Schweinebraten; Palatschinken, Kaiserschmarrn, Marillenknödel. Alles schön gekocht, auf den Punkt, das Fleisch nie labberig, die Desserts, meist sehr üppig gehalten, immer auf den Punkt gebacken.

Die Krönung des Hauses und das beliebteste Gericht, kein Wunder, ist das Wiener Schnitzel, serviert mit einem Gurkensalat und unterlegtem Kartoffelsalat (16.50 Euro). Sowohl das Gemüse als auch die Erdäpfelkomposition sind fein gesäuert, mild gewürzt, ohne das Schnitzel zu dominieren. Das Fleisch ist von außergewöhnlicher Größe, es macht Eindruck, wenn es serviert wird – den Teller glatt überwölbend. Es ist akkurat paniert, weder schmeckt die Hülle nach muffiger Panade noch lässt das Eigelb einen pappigen Geschmack zurück. Das Fleisch ist wie nach Lehrbuch gewalzt und anschließend gebraten. Es mundet appetitlich – auch noch beim letzten Bissen. Des Preisens kein Ende: Die Männer und Frauen hinterm Tresen und von der Küche sind von unaufdringlicher Freundlichkeit. Ohne frackhafte Förmlichkeit, sie haben offenbar nur die Ambition, die Gäste im besten bürgerlichen Sinne zufrieden zu stellen. Dazu mag auch die Musik gezählt werden. Nostalgisches nur: Hans Moser, Hans Albers, Zarah Leander, Zitherklänge. Wer das alte Westberlin in seiner unaufgeregten Fasson kennen lernen möchte, muss das Austria besuchen. Man schwört auf gute Umgangsformen – die rabiaten Zeiten sind vorbei. JAN FEDDERSEN

Austria, Bergmannstr. 30, 10961 Berlin, Nähe U-Bahn Gneisenaustraße, Mo–So ab 18 Uhr, Küche bis Mitternacht; Speisen ab 3,90 bis 16,50 €, Telefon (0 30) 6 94 44 40, Reservierung ab 17 Uhr