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Archiv-Artikel

Großer Exodus bei Mercedes

Weil derzeit viel weniger C-Klasse-Wagen bestellt werden, hat das Bremer Mercedes-Werk einen Überschuss von rund 1.200 Arbeitern. Der Konzern will sie daher vorübergehend in anderen Werken einsetzen

Bremen taz ■ Der Aktienkurs der DaimlerChrysler-Papiere ist gestern überdurchschnittlich gestiegen. Die Schlagzeile der Bild-Zeitung, nach der 1.200 Mercedes-Arbeiter Bremen verlassen müssten, hat die Anleger nicht verunsichert. Im Gegenteil: Der Konzern demonstriert Handlungsfähigkeit.

Für die in Bremen produzierte C-Klasse erwartet der Konzern geringere Verkaufszahlen, weil die Käufer auf das Jahr 2007 warten: Dann bringt Mercedes das neue Modell heraus. 1.200 der 15.000 Stellen werden in den nächsten beiden Jahren nicht gebraucht, wenn die Produktion planmäßig von dem Rekord in 2004 (270.000) auf 220.000 Stück abfällt, so der Betriebsratsvorsitzende Udo Richter zur taz. Die Zahlen seien nicht fixiert, es könne am Ende auch die Zahl 800 stehen, meint der Sprecher des Bremer Mercedes-Werkes, Wendelin von Machui. In Rastatt bei Karlsruhe hingegen läuft die Produktion für das neue A-Klasse-Modell auf Hochtouren. Dort werden bis Mitte 2005 an die 1.000 Arbeitskräfte gebraucht. „Es ist natürlich sinnvoller, erfahrene Arbeiter zu holen, als völlig neue anzulernen“, erklärt Konzern-Sprecher Stephan Öri die Lage. In Harburg werden etwa 150 zusätzliche Arbeitskräfte gebraucht, auch das Werk in Berlin sucht 150 neue Leute.

Seit zwei Wochen wird im Bremer Werk mit verschiedenen Angeboten für den Wechsel geworben. Wer zum Beispiel in Stade wohnt – und das seien einige, die im Bremer Werk arbeiten –, hat es sogar näher nach Harburg. Wer sich vorstellen kann, für neun Monate oder ein ganzes Jahr nach Rastatt zu gehen, bekommt dort zirka 300 Euro mehr Lohn und eine Mobilitätsprämie von 700 Euro. Bremer Mercedes-Auszubildende werden mit einer Festanstellung gelockt. Wer ganz umziehen möchte, kassiert in Harburg eine Umzugsprämie von 5.000 Euro, in Berlin 10.000 und in Rastatt gar 15.000 Euro. Auch für ein Sabbatjahr wird geworben und für Altersteilzeit. „Mehrere hundert“ Kollegen hätten sich bisher interessiert gezeigt, sagt Richter. Bis zum 5. November läuft die werksinterne Kampagne, dann werde man sehen, welche Bereitschaft zur freiwilligen Anpassung an die Lage bestehe. Nach den „Delegierungsrichtlinien“ müssten zur Not Mitarbeiter zur Mobilität gezwungen werden.

Zum 10. Januar sollen die überzähligen Kollegen in die Werke Hamburg, Berlin und Rastatt wechseln. Das Ausleihen der Arbeitskräfte sei im Übrigen bei Mercedes normal: Im vergangenen Jahr seien noch 600 Kollegen aus Rastatt in Sindelfingen gewesen, weil die alte A-Klasse auslief. Wenn im Jahre 2007 das neue C-Modell in Serie geht, so ist der Betriebsratvorsitzende Richter sicher, „dann brauchen wir unsere Leute wieder“. Der Daimler-Konzern gleicht aber auch auf internationaler Ebene die Produktionskapazitäten aus: Aufgrund des steigenden Euro-Kurses fertigt beispielsweise das US-Werk Tuscaloosa derzeit 150.000 statt wie bis dato 85.000 Stück. Sprich: Was im Jahre 2007 in Bremen sein wird, weiß konkret niemand. Klar vereinbart sei nur die „Beschäftigungsgarantie für alle Mitarbeiter der Mercedes Car Group in Deutschland“, so Öri. Auf die Jobgarantie bis Jahresanfang 2012 hatten sich im Sommer Vorstand und Betriebsrat verständigt. Betriebsbedingte Kündigungen sind demnach ausgeschlossen.

Klaus Wolschner