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Archiv-Artikel

kommentar: castor-tod und nrw Keine Stunde für Zyniker

Staatstrauer wird es nicht geben. Trotzdem: Zynischer als Sachsens Innenministerium kann man den tragischen Unfalltod im Wald von Lothringen nicht kommentieren. Auch wenn jeder, der sich an Gleise kettet, selbst für das verantwortlich ist, was er tut.

Sachsens Regierung greift nicht nur moralisch daneben, wenn sie den Tod eines jungen Menschen leichtfertig abtut – sie begeht auch taktisch einen schweren Fehler. Wenn sie tatsächlich ihren Atommüll von Rossendorf nach Ahaus schaffen will, kann sie eine Benno-Ohnesorgisierung des Protests nicht gebrauchen. Zwar sind die Genehmigungen längst erteilt und die juristischen Scharmützel ausgetragen, doch eine Eskalation des Widerstands könnte zu einer Verkettung führen, an deren Ende die Transporte doch noch verboten werden könnten: Mehr Krawall gleich mehr Polizei gleich höhere Kosten gleich neue Argumente für die nordrhein-westfälische Landesregierung, die den Transport verhindern will. Auch Bundesumweltminister Trittin steht als Grüner nicht derart felsenfest hinter den Transporten, wie es sich Sachsens CDU-Regierung wünscht.

Dennoch ist es gut, dass die Atomkraftgegner in Ahaus und anderswo nicht der verlockenden Logik der Eskalation folgen. Sie würden damit nicht nur Gefahr laufen, die Unterstützung des großen Teils der Bevölkerung zu verlieren, der bislang völlig gerechtfertigten Protest unterstützt. Es wäre ebenfalls zynisch gegenüber dem Toten. Die Demonstranten wissen selbst: Kein Castor ist ein Menschenleben wert. KLAUS JANSEN