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Archiv-Artikel

„Die Gefahr des Islamismus ernst nehmen“

Trotz eines Aufrufs mit mehreren hundert Unterschriften blieb der Protest gegen den islamistischen Al-Quds-Aufmarsch dünn. Rabbiner Walter Rothschild war bei der Gegenkundgebung der einzige Vertreter der Jüdischen Gemeinde

taz: Herr Rothschild, hätte man die Al-Quds-Demonstration verbieten sollen?“

Walther Rothschild: Was die Teilnehmer der Al-Quds-Demonstration vertreten, halte ich für gefährlich. Die Demonstration aber ganz zu verbieten wäre ein falscher Ansatz gewesen.

Es gab strenge Auflagen, nur wenige Transparente waren zu sehen. Können Sie mit dem Verlauf nicht zufrieden sein?

Eigentlich ja. Die Demonstration ist glimpflicher verlaufen, als ich erwartet habe.

Auf der pro-israelischen Gegenkundgebung waren nur 100 Leute. Wie erklären Sie sich die geringe Teilnahme?

Ich war sehr enttäuscht. Die Gegenkundgebung wurde vor allem von jungen Antifas organisiert. Es kann sein, dass einige Leute deswegen abgeschreckt wurden. So genau weiß ich das aber nicht.

Und? War diese Furcht berechtigt?

Nein. Zwar hatte ich zum Teil Probleme mit dem, was gesagt wurde. Ich persönlich bin aber dankbar, dass es überhaupt Leute gibt, die diese Gegenkundgebung organisiert haben.

Dort wurde in Reden der Islamismus mit dem Nationalsozialismus gleichgesetzt …

… einer sagte auch, Hass müsse man mit Hass begegnen.

Ist dieser Vergleich angemessen?

Ja und nein. Es gibt zwei Gruppen, die gegen westliche Werte und Juden wettern. Die eine Gruppe, das sind die Neonazis. Die andere Gruppe die Islamisten. In diesem Punkt sehe ich durchaus Gemeinsamkeiten. In anderen Punkten gibt es natürlich große Unterschiede. Die Gefahr, die vom Islamismus ausgeht, muss man aber genauso ernst nehmen.

Es sind ja nicht nur Islamisten, die die Politik Scharons verurteilen. Die Mehrheit in ganz Europa kritisiert Israel. Können Sie den Unmut gegenüber Israel nicht nachvollziehen?

Natürlich fühlen viele Palästinenser Schmerzen bei dem, was im Nahen Osten passiert. Aber auf der Al-Quds-Demo waren viele, die nicht nur gegen das sind, was in Israel gerade passiert. Sie stellen das Existenzrecht Israels insgesamt in Frage. Dafür habe ich kein Verständnis.

Nach den Anschlägen auf die Synagogen in Istanbul – wie bedroht fühlen Sie sich als Jude in Deutschland?

Nicht mehr als früher auch. Es gab Anschläge auf Synagogen in Djerba, in Casablanca. Istanbul ist deswegen nichts Neues. Das vielleicht einzig Neue an Istanbul: Endlich nehmen auch die Europäer die Terrorgefahr ernst.

Rechnen Sie mit Anschlägen auf jüdische Einrichtungen in Berlin?

Nicht konkret. Aber dass die Polizei überhaupt mit einem so schweren Geschütz vor jüdischen Einrichtungen stehen muss, ist schon traurig.

Nach den Anschlägen in Istanbul hat Innensenator Körting die Sicherheitsvorkehrungen vor jüdischen Einrichtungen erhöht. Reicht das?

Gegen eine Autobombe oder gegen Selbstmordattentäter kann man letztendlich nichts tun. Eine absolute Sicherheit gibt es nicht. Die deutschen Behörden tun aber ihr Bestes.

INTERVIEW: FELIX LEE

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