Nach erneutem Leukämie-Fall soll Krümmel aus bleiben

LEUKÄMIE In der Elbmarsch ist wieder ein Kind an Blutkrebs erkrankt – es ist der 19. Fall in 20 Jahren. Umweltschützer fordern erneut die endgültige Abschaltung des stillstehenden AKW Krümmel

„Der neue Fall hat uns nicht überrascht“, sagt Sabine Brosowski von der Initiative „Bürger gegen Leukämie in der Elbmarsch“. Mindestens 18 junge Menschen sind in den vergangenen 20 Jahren in einem Fünf-Kilometer-Umkreis um das AKW Krümmel an Leukämie erkrankt. Das ist die höchste Rate weltweit. Nun ist ein neunjähriges Mädchen aus der Gemeinde Horburg im Kreis Lüneburg betroffen. Es soll in der Region sogar noch einen weiteren neuen Fall von Blutkrebs geben.

Warum in der Elbmarsch so viele Menschen an Blutkrebs erkranken, ist nicht geklärt. Viele Anwohner und Umweltschützer sehen die Ursache im Atomkraftwerk oder dem daneben liegenden Forschungszentrum GKSS, das inzwischen keine Nuklearforschung mehr betreibt.

Bis heute umstritten ist die von örtlichen Bürgerinitiativen vertretene These, dass es im Forschungszentrum oder im AKW am 12. September 1986 einen Atomunfall gegeben habe. Ein weißrussisches Forscherteam entdeckte in Bodenproben Spaltprodukte, wie sie in der Natur nicht vorkommen. Der Berliner Physiker Sebastian Pflugbeil äußerte den Verdacht, im GKSS-Zentrum sei mit Atommaterial experimentiert worden. Andere Forscher sehen dafür keine Anhaltspunkte.

„Krümmel darf nicht wieder ans Netz gehen“, sagte gestern Hayo Dieckmann, Leiter des Gesundheitsamtes im Kreis Lüneburg und Mitglied der atomkritischen Ärzteorganisation IPPNW. Er verweist auf die im vergangenen Jahr veröffentlichte Kinderkrebs-Studie. Danach erkranken Kinder, die in der Nähe eines Atomkraftwerks wohnen, deutlich häufiger an Krebs als andere. Jochen Stay von der Organisation „Ausgestrahlt“ verlangte schärfere Grenzwerte für radioaktive Emissionen. Kinder und Embryos seien empfindlicher gegenüber radioaktiver Strahlung als Erwachsene. Darauf nähmen die derzeit gültigen Grenzwerte keine Rücksicht.

REIMAR PAUL