: Protest gegen Panzer
Grüner Wehrexperte kritisiert geplante Lieferung an die Türkei. Ankara bekundet noch kein offizielles Interesse
BERLIN taz ■ Einen Tag nach der Türkeireise von Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) hat sich beim grünen Koalitionspartner nun doch Widerstand gegen eine mögliche Panzerlieferung an Ankara geregt. Die Türkei sei für ein solches Geschäft noch nicht reif, sagte gestern der Verteidigungsexperte der grünen Bundestagsfraktion, Winfried Nachtwei. Wie berichtet, möchte der Verteidigungsminister 350 ausgemusterte Leopard-2-Panzer verkaufen oder verschenken, um die Kosten für ihre weitere Aufbewahrung zu sparen.
Nachtwei mahnte in einem Zeitungsinterview, für einen Export müsse sich die Lage von Menschenrechten und Minderheiten in der Türkei erst „unumkehrbar stabilisiert“ haben. Insbesondere in den Kurdengebieten werde eine mögliche Lieferung als „misstrauensbildende Maßnahme“ gesehen. Dies habe sich dort während des Besuchs einer Grünen-Delegation gezeigt.
Die Delegationsleiterin Claudia Roth, Grünen-Chefin und frühere Menschenrechtsbeauftragte, hatte sich nach der Reise allerdings im gegenteiligen Sinne geäußert. Sie habe auf der Reise keine Hinweise für den Vorwurf gefunden, die türkische Armee habe in den Kurdengebieten einige aus Deutschland gelieferte Schützenpanzer gegen Zivilisten eingesetzt, so Roth.
Im Herbst 1999 hatte eine geplante Panzerlieferung noch zu einer Krise zwischen Grünen und SPD geführt. Der größere Koalitionspartner wollte eine größere Zahl von Leopard-2-Panzern an Ankara verkaufen, die Grünen hatten dies verhindert. Damals hatte die Türkei nach zunächst signalisiertem Interesse auf eine offizielle Anfrage verzichtet, weil die Grünen mit dem Koalitionsbruch gedroht hatten.
Die jetzige Debatte ist insofern skurril, als Ankara überhaupt kein deutliches Interesse an deutschem Wehrgut gezeigt hat. Das Angebot kommt vielmehr von deutscher Seite. Nur 350 Exemplare des Leopard 2 will die Armee nach der Bundeswehrreform behalten, 900 Panzer werden überflüssig sein. Verteidigungsminister Peter Struck möchte sie loswerden und mit dem Geld seinen Haushalt aufbessern.
Bisher hatten sich die Grünen nicht klar gegen die Lieferung ausgesprochen. Im Oktober betonte Nachtwei zwar, dass die Rüstungsexportrichtlinien der maßgebliche Rahmen für für eventuelle Exporte blieben. Er sagte aber auch, dass es in der Türkei unzweifelhaft Fortschritte in der Situation der Menschenrechte gebe. DANIEL SCHULZ