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Archiv-Artikel

Recht vorgeschoben

Außenminister Fischer deutet Genehmigung für Export der Hanauer Anlage an. Seine Position war mal anders

HANAU taz ■ Bundeaußenminister Joschka Fischer (Grüne) will ausschließlich nach rechtlichen Kriterien darüber entscheiden, ob die Hanauer Atomfabrik zur Herstellung von Mischoxydbrennelementen (MOX) nach China verkauft werden darf. Das sagte er gestern am Rand einer Nato-Tagung. Auch wenn er aufgrund seiner politischen Überzeugung „nicht viel“ von dem Geschäft halte, müssten manchmal „bittere Entscheidungen“ getroffen werden. Den Landesverbänden und Landtagsfraktionen von Grünen und SPD dürfte das nicht reichen. Sie lehnen das Projekt ab. Und auch in den Bundestagsfraktionen regt sich Widerstand.

Schließlich hatte gerade Fischer als hessischer Umweltminister 1991 verhindert, dass die brandneue Fabrik auf dem Gelände der Hanauer Atomgemeinde Wolfgang in Betrieb genommen wurde: Der Plutoniumkreislauf sollte nach Schließung der alten MOX-Fabrik durchbrochen werden. Denn politisch war der Atomausstieg bei den Grünen und bald auch bei der SPD längst beschlossene Sache.

Im August 2000 erklärte das Auswärtige Amt in Richtung Siemens, dass die rot-grüne Bundesregierung nur Projekte unterstützen werde, „bei denen es um die Verglasung des Waffenplutoniums und die Endlagerung des Bombenstoffes geht“. Da beabsichtigte Siemens gerade, die Anlage an die Russen zu verkaufen. Im Rahmen der internationalen Abrüstungsprogramme wollte Moskau das aus den Atombomben gekratzte Waffenplutonium über den Umweg der Produktion von MOX-Brennelementen wieder in eigenen zivilen Reaktoren verbrennen. Bei deren Wiederaufarbeitung wäre wieder Plutonium angefallen (siehe Kasten). Selbst die Hessische Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung hatte das Exportvorhaben damals aus abrüstungspolitischen Gesichtspunkten mit Bauchschmerzen befürwortet. Die Bundesregierung aber lehnte das Projekt aus sicherheitspolitischen Erwägungen heraus ab. Das Waffenplutonium müsse endgelagert werden.

Und jetzt befürwortet ausgerechnet der passionierte Atom- und Plutoniumgegner Fischer plötzlich den Aufbau der MOX-Fabrik zur Schließung des Plutoniumkreislaufs in China? Einem Land mit einem quasi diktatorischen Regime, dem Menschenrechtsverletzungen in Permanenz vorgeworfen werden? Schon Anfang 2003 soll die Siemens AG, die die Anlage nach dem geplatzten Deal mit Russland eigentlich verschrotten wollte, beim Bundeswirtschaftsministerium um eine Ausfuhrgenehmigung angefragt haben – lange vor der Kanzlerreise nach China. Beifall für Schröder und Fischer kommt jetzt natürlich von Siemens, aber auch von der Union in Berlin und in Wiesbaden. Die Koalition hat ein (neues) Problem. K.-P. KLINGELSCHMITT