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Archiv-Artikel

Kampf der Worte

Ein „Faust“-Konzentrat: Der Rapper Thomas D. und der Punkrocker Bela B. vergessen ihren Schulunterricht und duellieren sich als Faust und Mephisto

von SEBASTIAN DOMSCH

Als Goethe seine Version der aus Volksbüchern bekannten Sage vom Pakt zwischen dem Teufel und Doktor Faustus entwarf, da zeigte sich seine dichterische Genialität darin, dass er die beiden Hauptfiguren größer machte, indem er sie verkleinerte. Aus dem übermenschlichen Empörer mit den titanenhaften Zügen, wie er uns noch in Christopher Marlowes Tragödie von 1588 begegnet, ist ein alternder, nach dem Absoluten strebender Gelehrter geworden. Auch der Teufel ist nicht mehr der, der er war. Als einer „unter dem Gesinde“ Gottes tritt er an den großen Alten heran, um ihn mit seiner Wette herauszufordern, und auch dem Faust nähert er sich menschlich.

Damit steht im Mittelpunkt dieses zeitlosen Stücks ein Widerstreit, ein Duell der Geister und der Prinzipien, hinter denen jedoch menschlich-allgemeine Charaktere zu erkennen sind. Natürlich ist das Ganze auch ein Kampf der Worte. Es ist also nur konsequent, wenn man sich einmal ganz auf diesen Aspekt konzentriert und aus dem Gesamtkorpus des Dramas jene Passagen herausfiletiert, in denen die Kontrahenten direkt aufeinander treffen. Herausgekommen ist dabei das Hörbuch „Faust vs. Mephisto“, ein „Faust“-Konzentrat der schlüssigeren Art. Da aber zu befürchten steht, dass die Generation Tamagochi mit den klassischen Gestalten kaum noch Assoziationen und noch weniger Interesse verbindet, bediente man sich eines prominenten Castings als Trick. Parallel zu „Faust vs. Mephisto“ inszeniert die CD daher „Thomas D. vs. Bela B.“ sozusagen als spoken-word celebrity deathmatch für Intellektuelle. Wobei klar ist, dass der Drummer von den Ärzten den Mephisto zu geben hat. Hier gehen dämonisches Rockstarimage und teuflische Theaterrolle Hand in Hand. Den Fanta-Vier-Rapper Thomas D. sah man zwar bislang nicht als vergrübelten Gelehrten an, dafür akzeptiert man ihn sofort als musik(o)logischen Widerpart von Bela B.

Soweit die schon mal sehr nette Idee, den Großklassiker der deutschen Literatur wieder sexy zu machen. Das eigentliche Hörerlebnis beginnt zuerst mit einer gewissen Unsicherheit. Es dauert, bis Thomas D. und Bela B. ihren Deutschunterricht vergessen haben, wo man klassische Literatur als vergeistigt, getragen und weltfremd beigebracht bekam, und sich ganz auf das Angebot von Goethes Text einlassen.

Vor allem Thomas D. müht sich ziemlich an seinem Monolog im Studierzimmer ab, sodass man diesem einsamen Faust gar etwas mehr Rap in die Stimme wünscht. Doch sobald des Pudels Kern erkannt ist und der Teufel beginnt, den Doktor zu umgarnen, nimmt die Sache Tempo auf, und spätestens wenn Mephisto/Bela die Gitarre stimmt, um sein Schlaflied zu singen, hat das Projekt seinen eigenen Rhythmus gefunden. Von da an steigt die Spielfreude der beiden Herren vom Initial parallel zur Zuspitzung des Konflikts im Stück immer weiter an, und damit das Hörvergnügen.

So gelingt den beiden Sprechern das Kunststück, den Zuhörer in das Stück hineinzuziehen, obwohl ihm zwangsläufig fast alle Szenen vorenthalten werden, die die Handlung weiterentwickeln. Schon eine rudimentäre Kenntnis des kompletten Werks genügt, um die Geschichte von „Faust vs. Mephisto“ nachvollziehen zu können; die anderen erfreuen sich erst einmal am ständig hitziger werdenden Schlagabtausch und fassen hoffentlich innerlich den Plan, wieder einmal das gelbe Heftchen aus der unteren Regalecke zu ziehen. Wie heißt es doch beim Meister selbst: „Mich drängt’s, den Grundtext aufzuschlagen.“

„Faust vs. Mephisto. Ein Sprachduell frei nach Goethe“. Audio-CD, ca. 70 Min., Universal 2004, 18 €