: Ohne Haut und Knöchelchen
Gegen die Betreiber des Roncalli-Gourmetevents in Essen wurde Strafanzeige wegen Betrugs gestellt. Statt einer teuren Bresse-Poularde soll minderwertiges Fleisch verkauft worden sein
VON PETER ORTMANN
Alexander Naujoks ist Geschäftsführer im Jagdhaus Schellenberg und entsetzt. In seinem Haus sollen Geschäfte mit minderwertigem Fleisch gemacht worden sein. Am vergangenen Freitag wurde beim 44. Kriminalkommissariat in Essen eine Anzeige wegen Betrugs gestellt, das Essener Ordnungsamt wurde tätig. „Da will uns doch jemand ans Bein pinkeln“, vermutet Alexander Naujoks. Der Vorwurf sei völlig unberechtigt, alle Besucher des Roncalli-Gaumenschmaus-Events Panem et Circenses, inzwischen weit mehr als 3.000 Personen, darunter viel Revierprominenz, hätten hervorragendes Essen erhalten.
Dieter Siebach (Name von der Redaktion geändert) sieht das anders. „Auf der Karte stand Suprème von der Bresse-Poularde, das Lieblingsgericht meiner Frau, bekommen haben wir eine gewöhnliche Poularde“, wettert der Feinschmecker. Das sei Produktfälschung, deshalb die Betrugsanzeige. „Die sparen so an jedem Teller acht Euro.“ Herr Siebach ist selbst seit 30 Jahren im VIP-Gastronomiegewerbe tätig. Die Edelpoularden, die nur im französischen Bresse aufgezogen werden, würden immer mit Haut und Knöchelchen vom Flügel serviert. Nicht so im Roncalli-Spiegelzelt, das vor dem Jagdhaus aufgebaut wurde. „Das haben die toll mit Champagnersauce und Zweibeln kaschiert“, sagt er, ein normaler Besucher würde den Unterschied natürlich nicht merken.
Alexander Naujocks gibt zu, dass die Bruststücke nicht von Bresse-Masthühner mit den blauschwarzen Füßen stammen. „Wir haben französische Mais-Poularden serviert, die genauso aufgezogen werden“, sagt er, leider wäre versäumt worden, diesen Umstand auf den Menükarten zu korrigieren. Aber der Essener Gourmettempel habe sich auf der Karte das Recht auf Änderungen vorbehalten. Beim Lieferanten in Bochum will niemand etwas zu Menge und Beschaffenheit des Geflügels sagen. Es sei geliefert worden, was bestellt war. „Alles andere ist Sache der Restaurants“, sagt Heiner Schulte, Chef der Auslieferung bei der Firma Niggemann.
Einen Preisvorteil durch den Verkauf der Mais-Poularden sieht Alexander Naujocks auch nicht. Da gäbe es keine qualitativen Unterschiede. Diese Stücke Fleisch sind Peanuts, angesichts des abendlichen 95 Euro-Gesamtangebots mit Lido-Bauchredner George Schlick, den russischen Trapezkünstlern Oleg und Dace und der Seifenblasenphantasien von Ana Yang. Acht Euro Ersparnis pro Teller seien absolut unrealistisch.
Das bestätigt auch Jagdhausinhaber Stephan Holthoff-Pförtner. Der Essener Promianwalt vermutet eine Gastronomen-Intrige: „Im Kostendeckungsbetrag spielt die Poularde keine Rolle“. Mit der falschen Ankündigung sollten keine Besucher angelockt werden. Die kämen in erster Linie wegen Roncalli.
Der Zirkus, der zurzeit im Kölner Winterquartier logiert, fürchtet um seinen Ruf. Direktor Bernhard Paul ist gerade auf Reisen, hat nur bei der Premiere mitgegessen. Roncalli-Geschäftsführer Thomas Schütte trennt deshalb Gastronomie und Artistenshow genau. „Wir liefern zum dritten Mal das Zelt und die Attraktionen, für das Essen ist die Küche des Jagdhauses Schellenberg zuständig“. Auch er sieht die Abende als Gesamtkunstwerk. Das „ESSEN wie Gott in Frankreich“ sei nur ein kleiner Teil des Angebotes.
Bei der Essener Polizei sieht man den Vorgang unsentimental. Sprecher Uwe Klein bestätigt den Eingang der Anzeige am Freitag und die Ermittlungen wegen Betruges. Ob vom Staatsanwalt Klage erhoben werde, werde sich zeigen.