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Archiv-Artikel

Medienrevolte

KIEW AFP/TAZ ■ In der Ukraine vollzieht sich in diesen Tagen eine zweite Revolution, deren Auswirkungen nicht weniger schwer wiegend als die Demonstrationen sein dürften: die Rebellion der bisher staatlich kontrollierten Medien. Nachdem die unter Zensur stehenden Fernsehsender in den vergangenen Monaten noch brav das Wahlkampflob auf Regierungskandidat Wiktor Janukowitsch gesungen hatten, suchen sie nun zunehmend die Konfrontation mit der Staatsmacht und stellen sich an die Seite der Opposition.

So verpflichtete sich der bisher regierungstreue TV-Sender 1+1 fortan nur noch „objektive Nachrichten“ zu senden. Die Mitarbeiter des vom Chef der Präsidialverwaltung, Wiktor Medwedtschuk, kontrollierten Senders lehnten es ab, weiter „auf Druck der politischen Kräfte einseitige Nachrichten“ zu verbreiten. Seit Montag hatte 1+1 keine Nachrichtensendungen mehr gebracht, weil sich die Journalisten weigerten, die zensierten Berichte zu senden.

Die einseitige Medienberichterstattung im Wahlkampf habe dazu beigetragen, die Gesellschaft zu radikalisieren und die Spannungen zwischen dem Westen und dem Osten des Landes zu vertiefen, räumt der Journalist Jewgen Hlibowitzki ein, der aus Protest gegen die Zensur jetzt beim Sender 1+1 gekündigt hat.

Der prorussische Janukowitsch wurde im Wahlkampf stets als „Kandidat des Volkes“ dargestellt und als gläubiger Christ. Von Oppositionskandidat Juschtschenko zeichneten die Medien dagegen das Bild eines Mannes im Solde der USA. Die Fälschungen hätten einige Monate vor dem Urnengang begonnen, meint die Medienexpertin Natalia Lihatschewa. „Die Regionen im Osten und Süden wurden davon stark beeinflusst, denn dort waren keine anderen Nachrichten zu bekommen.“ Und auch der Nachrichtensprecher des öffentlichen Senders UT-1, Wlodimir Melnik, sagt: „Wir haben zum größten Teil Lügen erzählt.“ Er rief seine Kollegen zum Streik auf.

Der Oppositionssender Kanal 5 berichtet derweil ununterbrochen über die Ereignisse. Dort kommen Spezialisten zu Wort, die sich live zu den aktuellen Entwicklungen in der Ukraine äußern. In der Janukowitsch-Hochburg Donetsk im Osten und in Sumi im Nordosten des Landes wurde der Sender daraufhin abgeschaltet.