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Gut fürs Klima und die Bauern

Bauernverband will mehr Forschung für Biokraftstoffe. Die Landwirte hoffen auf Einnahmen aus einem Bioenergie-Boom in einer „neuen Art der New Economy“

BERLIN taz ■ Der deutsche Bauernverband entdeckt die Biokraftstoffe: „Die Landwirtschaft ist der Grundpfeiler einer neuen Art der New Economy“, sagte der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Gerd Sonnleiter, gestern auf dem Kongress „Kraftstoffe der Zukunft“ in Berlin. Grund für die Begeisterung ist nicht nur der Klimaschutz: Biokraftstoffe sind für viele Bauern vielmehr ein Ausweg aus ihrer wirtschaftlich eher trostlosen Situation. Im letzten Jahr betrug der Jahresumsatz von Bioenergie in Deutschland bereits 2,85 Milliarden Euro. 1,57 Milliarden Euro wurden in die Branche investiert. Wenn künftig also Autos mit Biokraftstoffen fahren und Kraftwerke mit Biomasse befeuert werden, dann soll die Landwirtschaft ihre Renaissance erleben.

Daran arbeitet der „Bundesverband BioEnergie“, der zum zweiten Mal zum Fachkongress geladen hatte. Die Lobby für den umweltfreundlichen Treibstoff will ihre Lobbyarbeit für ihr Anliegen verstärken. Und die Bauern wollen gern dabei helfen. „Deutschland hat bei der Entwicklung von Biokraftstoffen eine Vorreiterrolle eingenommen“, freute sich Sonnleiter. Doch Lob für die zuständige Agrarministerin Renate Künast kam dem Bauernchef nicht über die Lippen. Ganz im Gegenteil: Ihre Skepsis gegenüber Biodiesel aus Raps sei „nicht verständlich“. Auch an anderer Stelle warnte Sonnleitner: „Die alte Abhängigkeit vom Rohöl gegen eine neue Abhängigkeit durch Importe von Biomasse auszutauschen ist für mich nicht nachvollziehbar. Die Akzeptanz in der Bevölkerung für die politischen Rahmenbedingungen gibt es nur, wenn die Biomassenproduktion auf heimischen Rohstoffen basiert“, sagte Sonnleiter.

Nach seinen Vorstellungen sollen also deutsche Bauern deutschen Biokraftstoff liefern. Dabei ist bis heute nicht geklärt, wie groß der Flächenverbrauch für Biomasse eigentlich ist. Bis heute streiten sich die Forscher darum, wie viel Acker nötig ist, um den Kraftstoffdurst zu stillen. Biokraftstoff ausschließlich von heimischen Feldern zu holen ist durchaus umstritten.

Gegen neue Arbeitsplätze in Deutschland hat dagegen niemand etwas. Und die soll der Biokraftstoff bringen. Eine Studie des Instituts für Wirtschaftsforschung an der Universität München kommt zu dem Schluss, dass bereits heute die Produktion von Biodiesel in Deutschland bei voller Auslastung der Produktionskapazitäten 19.000 Arbeitsplätze sichert.

Um noch mehr Landwirten eine sichere Existenz zu garantieren, forderte Sonnleiter eine breit angelegte Innovationsstrategie „Bioenergieproduktion“ zusammen mit Hochschulen, Landwirtschaftskammern und Ämtern. „Es muss wieder mehr in die klassischen Pflanzenbauwissenschaften in der Forschung investiert werden“, sagte Sonnleiter. Die Hochschulen hätten alle mehr damit zu tun, mühsam Drittmittel einzuwerben, um ihre Agrarinstitute aufrechtzuerhalten. „Da muss sich noch viel ändern.“ PHILIPP DUDEK

www.bioenergie.de

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