: Die Spur der roten Kabel
Kriechstrom auf Borkum, Blackout in Norddeich, Flackern auf Juist – und die Antwort auf die Ursachenfrage kennt ganz allein der Wind: Wie eine Strompanne zum Inselgespräch wird
Werbung für elektrische Energie hört sich beispielsweise so an: „Strom kann man nicht anfassen – aber man kann seine Wichtigkeit spüren: Lampen würden ohne Strom nicht leuchten und keines der zahlreichen elektrischen Geräte im Haus funktionieren“. Stimmt, können jetzt die Menschen in Norddeich aus eigener Erfahrung sagen. Um das zu bemerken, dürfen die Juister ergänzen, reichen sogar Schwankungen in der Grundversorgung. Und weil man Strom nicht sehen kann, und der Anbieter seine liebe Not hat, die Unregelmäßigkeiten einzuordnen, und weil man schließlich nicht mit Halbwahrheiten unter die Leute gehen will, werden die Ursachen zum Gegenstand von Mutmaßungen.
Fakt ist: Auf Juist sind einige Computer abgestürzt, Local-Area-Netzwerke und Kontoauszugsdrucker haben sich ins Wochenende verabschiedet und ließen sich erst mit erheblicher Mühe am Montag wieder in Betrieb nehmen. Auch hat das Licht am Freitag so von 17 Uhr an in allen Häusern geflackert. Zumindest da, wo jetzt, außerhalb der Saison, jemand wohnt. Die Hausbesitzer, die im Frühjahr aus den Winterquartieren zurückkehren, dürften sich wundern, dass ihre Heizungsanlagen nicht laufen: Wer nicht da ist, kann den Notschalter nicht wieder in die Ausgangsposition bringen. Na hoffentlich friert’s nicht diesen Winter.
Eine Erklärung seitens des Stromanbieters ist nicht erfolgt. Logisch, denn bei der für Juist zuständigen EWE AG hat sich die Panne noch gar nicht herumgesprochen: „Es hat auf der Insel keinen Stromausfall gegeben“, reagiert Unternehmenssprecher Karl Hackstette zunächst verwundert auf die Anfrage. Wären alle Juister Lügner? Unwahrscheinlich. Der Sprecher fragt nach, Ergebnis: „Es gab nur Spannungseinbrüche“. Woher kamen denn die? Auf der Insel wird bereits geargwöhnt, dass es weit draußen auf dem Meer irgendwelche Tests mit den Windkraftanlagen gegeben habe und dadurch…. Das wäre ein Skandal. Aber Hackstette dementiert: „Mit Wind hatte das definitiv nichts zu tun.“ Es war nämlich nur ein Zehntel der mit Rotoren eingefangenen Energie am Netz, „und das verkraftet 100 Prozent“.
Nur was war dann die Ursache? Zurück aufs Festland. „Können Sie sich Ihr Leben ohne Strom vorstellen?“, fragen die Stadtwerke Norden ihre Kunden. Und antworten selbst: „Kaum.“ Aber Gemach: „Darüber brauchen Sie sich keine Gedanken zu machen – denn das machen wir für Sie…“ Vom einstündigen Blackout in Norddeich hat die Lokalpresse berichtet. Und es gibt einen Zusammenhang: Von ein und demselben Umspannwerk gehen die EWE-Kabel nach Juist und jene der Stadtwerke nach Norddeich ab. Deren Geschäftsführer Wilfried Ehrhardt hat „die roten Kabel aus den 1970er Jahren“ als Schuldige ausgemacht. Massen davon seien damals verlegt worden. Jetzt gehen diese Kabel in die Brüche, anders als die modernen, aber auch anders als die älteren. Laut Ostfriesenzeitung haben sich „fünf so genannte Sekundär-Erdschlüsse“ bei den intakten Ersatz-Kabeln ereignet – eine Art Kettenreaktion.
Und deren Auslöser? War’s vielleicht doch der Wind? Aber nein. Wahrscheinlich war ein Seekabel die Ursache.Das der Insel Borkum wurde abgeklemmt, bestätigen die dortigen Stadtwerke. Einen regelrechten Blackout habe man aber nicht gehabt. Bloß einen Defekt. Wie schön doch so eine Komplett-Vernetzung sein kann: Der kleine Fehler pflanzt sich fort. Der Strom kommt ins Stocken. Und die Kommunikation zum Erliegen.
Benno Schirrmeister